Nicht zur Herrschaft geboren

Als Maria Theresia Walburga Amalia Christina in den frühen Morgenstunden des 13. Mai 1717 in der Hofburg zu Wien das Licht der Welt erblickte, war die Freude zwar groß, dass die Geburt relativ problemlos verlief und das Kind gesund war – doch die Freude über einen Prinzen wäre noch größer gewesen! Denn im allerhöchsten Erzhaus wartete man bereits mit banger Hoffnung auf einen Thronfolger.

Die Geburt im Kaiserhaus war daher schon von langer Hand vorbereitet worden. Schon im Jänner hatte man begonnen in den Pfarrkirchen der habsburgischen Länder um einen gesunden Thronfolger zu beten. (Stollberg-Rilinger, S. 2) Die werdende Mutter war ebenfalls Anfang des Jahres „wegen glücklicher Fortsetzung der gesegneten Schwangerschaft“ zur Ader gelassen worden. (Weiss S. 235.) Bereits im April waren weitere Vorbereitungen getroffen worden. Man wählte einen Hofstaat für das Neugeborene und die Ammen, die es füttern sollten, aus. (Stollberg-Rilnger, S. 2.)   Wenige Tage vor der Geburt war im Stephansdom dann noch ein dreitägiges Gebet für eine glückliche Geburt abgehalten worden. (Weiß, S. 235.)

Die Geburt selbst verlief „glücklich- als geschwind- und leicht[]“. Die Kaiserin spürte in den frühen Morgenstunden, gegen drei Uhr, des 13. Mai, dass die Entbindung unmittelbar bevorstünde. Da der Kaiser nicht in Wien, sondern in Laxenburg weilte, schickte man eiligst Boten dorthin. Der allerhöchste werdende Vater wurde natürlich sogleich geweckt und machte sich auf den Weg nach Wien. Beide, der Bote wie der Kaiser, müssen für damalige Zeiten mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs gewesen sein, denn schon gegen halb sechs Uhr soll der Kaiser die rund 25 Kilometer zurückgelegt haben und in der Hofburg eingetroffen sein. Den Wienern wurde das freudige Ereignis, das schließlich gegen halb acht eingetreten war, mit Pauken und Trompeten und dem Läuten der Glocken des Stephansdoms verkündet. (Wienerisches Diarium. 15. Mai 1717)

Die Taufe der kleinen Erzherzogin erfolgte noch am selben Tag. Man hatte es damals eilig mit dem Taufen, denn man fürchtete ein ungetauftes Kind könne nicht der ewigen Seligkeit teilhaftig werden – und die Kindersterblichkeit war hoch - auch im allerhöchsten Erzhaus.

Trotz aller Eile musste eine Taufe im Kaiserhaus aber entsprechend vorbereitet werden. Denn sie war nicht nur ein christliches Sakrament und eine Familienfeier sondern quasi auch ein Staatsakt. Daher hatten die höchsten Amtsträger der Hofkonferenz bereits lange zuvor über Ort und Zeremoniell beraten. Die Wahl war auf die Ritterstube im Leopoldinischen Trakt der Hofburg gefallen – dieser Trakt war damals beinahe noch ein Neubau. (Stollberg-Rilinger, S. 3)

Die Taufe selbst folgte freilich den altehrwürdigen Vorschriften des höfischen Zeremoniells. In einer feierlichen Prozession mit Pauken und Trompeten wurde das Kind vom Schlafzimmer der Kaiserin in die Ritterstube getragen. Selbstverständlich war auch die Reihenfolge der Würdenträger dieses Indoor-Festzuges genau geregelt.

Voran gingen die Kavaliere des Hofes und Mitglieder der Niederösterreichischen Landstände, die Kaiserlichen Kämmerer und Geheimen Räte. Selbstverständlich alle angetan mit den kostbarsten Kleidern. Dann folgten – und zwar nebeneinander, um daraus nur ja keine Rangfolge ableiten zu können – der päpstliche Nuntius und der venezianische Botschafter. Ihnen folgte der Kaiser selbst im feierlichen schwarzen Mantelkleid nach spanischer Sitte und nach ihm schritten in schwarzer Witwentracht Eleonore Magdalene von Pfalz-Neuburg – die Witwe Leopolds I – und Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg – Witwe nach Joseph I. Nun endlich kam die Aja (Kinderfrau) Anna Dorothea von Thurn (Weiss, S. 235) mit der kleinen Erzherzogin auf einem Polster aus weißem Atlas. Dahinter folgten noch die Töchter der beiden verstorbenen Kaiser, der weibliche Hofstaat mit den Hofdamen, Ministergattinen und weiteren adeligen Damen. (Stollberg-Rilinger S. 5)

Die Mutter des Kindes war nicht dabei, denn Elisabeth Christine feierte ihren „Hervorgang“ erst rund einen Monat später. Mütter konnten grundsätzlich bei der gleich nach der Niederkunft stattfindenden Taufe nicht teilnehmen, weil die Geburt als unrein galt und die Mutter sich dementsprechend nicht öffentlich zeigen durfte, ehe sie „hervorgesegnet“, quasi kirchlich gereinigt wurde. (Weiss, S. 48f)

Die Taufe selbst war selbstverständlich ebenfalls höchst feierlich. Als Paten fungierten die beiden Kaiserinnen-Witwen und – der Papst, auch wenn dieser durch seinen Nuntius vertreten wurde. Auch bei der Wahl der Namen für das Neugeborene gab es natürlich keine Zufälle. Den Namen Maria erhielten so gut wie alle Töchter des Erzhauses, war die Gottesmutter doch die Patronin der Habsburger. Den Namen Theresia hatte sich die Großmutter und Taufpatin der kleinen Erzherzogin Eleonore Magdalena gewünscht, denn Theresia von Avila war ihre Lieblingsheilige. Daher schenkte sie dem Kind zur Taufe auch kostbare mit Diamanten besetzte Reliquien dieser Heiligen (Weiss, S. 235). Der Name Walburga wiederum bezieht sich auf eine der beliebtesten volkstümlichen Heiligen, die als Patronin der Wöchnerinnen verehrt wurde. Angesichts der 16 Kinder, die Maria Theresia selbst in ihrem Leben zur Welt bringen sollte war die Wahl dieser Namenspatronin wohl sehr vorausschauend! Ihre weiteren Namen Amalia und Christina erhielt sie nach ihrer Taufpatin und Tante Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg und ihrer Mutter Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel. Für die Taufe selbst wurde ein goldenes Becken verwendet, das schon seit Generationen für die Taufen im Hause Habsburg diente und im Taufwasser befanden sich auch fünft Tropfen Jordan-Wasser, auch war das Taufzimmer prächtig geschmückt und mit Reliquien ausgestattet. (Stollberg-Rilinger, S. 5f.)

Doch trotz aller Freude über die Geburt eines gesunden Kindes im Kaiserhaus machte man sich auch bereits Sorgen über die Zukunft. Nachdem Leopold Johann der Bruder der nun geborenen kleinen Erzherzogin wenige Monate zuvor, gerade einmal ein halbes Jahr alt, verstorben war, war der Vater der beiden Kinder, Kaiser Karl VI, der einzige männliche Habsburger. Die Nachfolge hing also am seidenen Faden. Doch das Kaiserpaar war noch jung. Elisabeth Christine von Braunschweig Wolfenbüttel war erst 26 und auch der Kaiser stand mit seinen 32 Jahren im besten Mannesalter. Auch die Tatsache, dass innerhalb kürzester Zeit zwei Kinder geboren wurden – also der eben verstorbene kleine Prinz und nun auch die kleine Erzherzogin ließ hoffen, dass sich bald weiterer – vor allem männlicher – Nachwuchs einstellen würde. Auch der Kaiser selbst gab sich in seinem Tagebuch hoffnungsvoll, dass nach der kleinen Erzherzogin bald auch ein weiterer Sohn geboren werden würde. (Weiss, S. 235)

Die Hoffnungen auf einen Thronfolger erfüllten sich allerdings nicht. Zwar kam schon im September 1718 das nächste Kind zur Welt, doch es war wieder ein Mädchen und auch das nun schon sechs Jahre spätere geborene vierte Kind Karls VI war wiederum eine Tochter. Damit sollte mit Karl VI das Haus Habsburg tatsächlich im Mannesstamm aussterben.

Doch auf die kleine Erzherzogin Maria Theresia wartete eine große Zukunft. Sie wurde mit ihrem Gemahl Franz Stephan von Lothringen die Stammmutter des nun so genannten Hauses Habsburg-Lothringen und wurde durch die zweifellos außergewöhnlichen Leistungen ihrer 40 Jahre dauernden Regierung in den Habsburgischen Erbländern zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Habsburger.

 

Bildnachweis:

Johann Esaias Nilson (Künstler), Maria Theresia, um 1740, Wien Museum Inv.-Nr. 212708, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/370468/)

 

Quellen und Infos:

 

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Elfriede Iby/Martin Mutschlechner/Werner Telesko/Karl Vocelka (Hrsg.) Maria Theresia 1717-1780. Strategin - Mutter - Reformerin, Ausstellungskatalog, Wien 2017.

Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München 2017.

Sabine Weiss, Zur Herrschaft geboren. Kindheit und Jugend im Haus Habsburg von Kaiser Maximilian bis Kronprinz Rudolf, Innsbruck 2008.

Wienerisches Diarium, 15. Mai 171.

 

https://www.wienerzeitung.at/archiv/maria-theresia-jubilaeum/884160-Mit-Pomp-Pauken-und-Trompeten.html?em_no_split=1

https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Theresia

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Maria_Theresia