Eine Münze als Exportschlager

Als im Mai des Jahres 1791 -  sein Geburtsdatum wird einmal mit dem 11. Mai 1719 (etwa Czeike, Bd. II, S. 418) und andererseits mit dem 19. Mai 1719 (Wurzbach, S. 361) angegeben - in Mühlhausen (Mulhouse im Elsass) ein Knabe namens Johann Baptist Fries geboren wurde, konnte noch niemand ahnen, welch wichtige Funktion dieser Sohn eines Zunftmeisters und Mitglieds des Inneren Rates einmal haben würde.

Denn zweifellos war die Familie Fries seit dem 16. Jahrhundert im Elsass beheimatet und übte auch wichtige Funktionen aus – etwa die des Bürgermeisters von Mühlhausen – und spielte in der Stadt auch während der Kämpfe des konfessionellen Zeitalters eine nicht unerhebliche Rolle. Doch dass ein Abkomme einer tüchtigen Kaufmannsfamilie in den Grafenstand aufsteigen und ein noch heute nachwirkendes Vermächtnis hinterlassen sollte, war nicht absehbar. (Steeb, S. 7ff.) Denn obwohl sein Name heute nur wenigen bekannt ist, hinterließ er uns nicht nur das heute so genannte Palais Pallavicini am Josephsplatz vis-a-vis der Nationalbibliothek, sondern er war es auch, der dafür sorgte, dass der Maria-Theresien-Taler noch heute beinahe weltweit ein Begriff ist.

Die Anfänge dieses Selfmademan liegen im Dunkel der Geschichte. Wir wissen nichts über die Jugend und Ausbildung Johanns, wahrscheinlich ist, dass er irgendwo in den zahlreichen Textilbetrieben der Stadt seine Lehre absolviert hat. Doch schon bald zieht es ihn in die Welt hinaus. Im Alter von 23 Jahren finden wir ihn als Kommis der „Englischen Kommission“ bei den englischen oder hanoveranischen Kontingenten der Pragmatischen Armee wieder. Bald wird er auch in den Strudel der Weltpolitik verstrickt. Denn als kurze Zeit später „Bonnie Prince Charls“ in Schottland landet, ziehen die Engländer ihre Truppen vom Kontinent zurück – und Johann Fries geht mit ihnen. Wir wissen nicht, wie lange er in England bleiben sollte. Doch die Erfahrungen – und vor allem die Sprachkenntnisse, die er sich erwarb, sollten bald für seine Karriere ausschlaggebend werden. (Steeb, S. 11f.)

Denn als die Engländer wohl schon unter den Vorzeichen des „Renversement des alliances“ – also der Umkehr der Allianzen, das letztlich Österreich zum Verbündeten des ehemaligen Erzfeindes Frankreich und Marie Antoinette zur französischen Königin machen sollte, die vereinbarten Geldleistungen an Habsburg nicht mehr bezahlen wollten, wurde – über Umwege – Johann Fries mit der heiklen Aufgabe betraut, die dringend benötigten Finanzmittel einzutreiben. Wobei, der damals knapp 30-Jährige wurde nicht direkt beauftragt, sondern der Feld-Provint-Ober-Commissär Johann Georg Grechtler sollte im Auftrag Maria Theresias die ausständigen 100.000 Pfund Sterling eintreiben. Doch Grechtler hatte im wahrsten Sinne des Wortes Besseres zu tun, er war mit für ihn höchst lukrativen Truppenlieferungen befasst und erinnerte sich in dieser Situation des jungen Kaufmanns. Johann Fries wird also nach England geschickt und erledigt die heikle Aufgabe, die nicht nur darin bestand, das Geld abzuholen, sondern es vor allem dann auch möglichst vorteilhaft zu wechseln, zur vollen Zufriedenheit. Als Dank wird ihm eine Ansiedelung in den Habsburgischen Erblanden in Aussicht gestellt, doch noch will er lieber näher an seiner Heimat bleiben. Er versucht daher mehrmals, das Bürgerrecht in Frankfurt zu erhalten – was ihm allerdings nicht gelingt. Der Rat der Stadt lehnt sein Ansinnen trotz höchst prominenter Fürsprecher wie des Grafen Cobenzl ab. (Steeb, S. 11 ff.) Das Ansuchen selbst war zwar nicht erfolgreich, aus den Bewerbungsunterlagen können wir aber heute einiges über die Person des Johann Fries erfahren. Sein Förderer Grechtler beschreibt ihn da etwa als „in allen Waaren Handlungen, als in Wechsel-Negotien vollkommen kundig[..]“. (Steeb, S. 17) (Negotien sind einfach Geschäfte, Zedler, Bd. 23 Sp. 1573)

Frankfurts Verlust sollte sich bald als Wiens Gewinn herausstellen. Nach der Abfuhr wandte sich Fries im Gefolge Grechtlers Wien zu. Schon von der Kaiserstadt aus plant er die Errichtung von Fabriken in der Grafschaft Baden-Durlach. Auch diese Pläne zerschlagen sich allerdings und Fries verlegt nun den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf den Raum Wien. Er erlangt 1751 endgültig die ihm schon nach dem englischen Erfolg angebotene „Niederlagsfreiheit“ in den Erblanden. (Steeb, S. 19ff.) Die „Niederlage“, sonst als Niederlagsrecht nichts anderes als das im Mittelalter fußende Stapelrecht (Zedler Bd. 39, Sp. 1194ff.) meint in Wien auch, dass in der eigentlich streng katholischen Hauptstadt der Habsburger auch protestantische Wechsler und „vornehme Kaufleute“ das Recht erhalten, sich anzusiedeln. (Zedler, Bd. 24, Sp. 737)

Zudem erhielt Fries ein Fabriksprivileg für eine Berchent und Cottonfabrik in Friedau bei Obergrafendorf (NÖ/Bezirk St. Pölten). Nur ein Jahr später gründete er in Weißenbach an der Triesting (NÖ/Bezirk Baden) eine Metallwarenfabrik, wieder zwei Jahre später eine Fabrik für Samt- und Seidenwaren in Oberdöbling. (Czeike, Bd. II S. 418) Doch schon vor dieser letzten Fabriksgründung hatte Johann Fries den ganz großen Coup gelandet – die Schaffung des Taler-Negiotiums!

Maria Theresia hatte seit ihrem Regierungsantritt großen Wert auf das Münzwesen gelegt, vor allem die durch frühere Münzverschlechterungen eingetretenen Missstände in Form ständiger Entwertungen durch einen geringeren Edelmetallgehalt galt es entgegen zu wirken. (Steeb, S. 31.) Die auch auf Anraten Franz Stephans zurückgehenden Conventions-Münzen sollten nun einen Feinsilbergehalt von exakt 23,39 Gramm haben. (Specht, S. 78) Auch auf die Fälschungssicherheit wurde Wert gelegt.

Durch den Import von Seidenwaren vor allem über Marseille, die von österreichischer Seite mit den Talern mit dem Abbild der Kaiserin darauf getätigt wurden, gelangten große Mengen dieser Münzen in die Levante, da sie ob ihrer Verlässlichkeit mit Gewinn getauscht werden konnten. Das hatte zur Folge, dass die Wiener Conventions-Münzen in der Levante bald einen höheren Nominalwert hatten als in den Habsburgischen Ländern selbst. Fries als in Wechselgeschäften besonders erfahrenem Kaufmann blieb das freilich nicht verborgen und er machte dem kaiserlichen Fiskus ein unwiderstehliches Angebot. Man solle den Talerhandel selbst in die Hand nehmen und nicht fremden Kaufleuten überlassen und natürlich ihm, Fries, diesen Handel überantworten. Nach Fries Vorschlag sollten die begehrten Taler nun nicht länger nur über den Handel in die Levante gelangen, wodurch nur auswärtige Händler die Wechselgewinne einstreichen würden, sondern man solle die begehrten Münzen direkt verkaufen. Der Gewinn würde dem Ärar zu Gute kommen und Fries selbst beschied sich mit einem relativ geringen Anteil. Sein alter Mentor Grechtler stand auch bei diesem Geschäft voll hinter ihm und leistete sogar eine Bürgschaft mit seinem eigenen Vermögen. Nun erhielt Fries tatsächlich das „Spezies-Geld-Verwechslungs-Negotium“ übertragen. (Steeb, S. 31ff)

Für Johann Fries erwies sich der Talerhandel als Bombengeschäft. Allein in den Jahren 1756 bis 1776 erwirtschaftete er damit einen Gewinn von rund einer Million Gulden. (Czeike, S. 418.) Doch als mindestens ebenso erfolgreich wie Fries – doch sehr viel langlebiger – sollten sich die Taler selbst erweisen. Aufgrund seiner Beliebtheit in der Levante erhielt der Taler bald den Namen „Levantiner“ Zwischen 1768 und 1774 allein wurden jährlich durchschnittlich eine halbe Million Taler geprägt. Die Münze war durch das Bild Maria Theresia schön anzusehen und durch die Besonderheit des erhöhten Randes auch sicher vor Abfeilungen. Nach dem Tod der Kaiserin wurde das Münzbild der österreichischen Münzen freilich geändert. Nun zierte das Konterfei Josephs II die Taler. Doch im Orienthandel wurden weiterhin die Münzen mit dem Abbild Maria Theresias verlangt und so wurden sie auch nach ihrem Tod weiter geprägt. In Österreich verlor der Maria-Theresien-Taler Mitte des 19. Jahrhunderts seine Funktion als offizielles Zahlungsmittel, für den Export wurde er aber weiter geprägt. Auch im 20. Jahrhundert erhielt er seine Bedeutung. Um Mussolini als Verbündeten gegen Hitler zu gewinnen überließ Kanzler Schuschnigg in der Talervereinbarung 1935 Italien das Münzrecht für 25 Jahre. Mussolini brauchte die Taler als Zahlungsmittel in Äthiopien. Da das Münzrecht Österreichs nicht mehr respektiert wurde, wurden 1937 auch von England Maria-Theresien-Taler für den Einsatz in den britischen Einflussgebieten Afrikas geprägt. Als die Engländer im zweiten Weltkrieg indische Soldaten in Afrika einsetzten wurden sogar in Bombay und Kalkutta Maria-Theresien-Taler geprägt. Aber auch in Paris, Brüssel und Utrecht wurden die beliebten Taler erzeugt. Die Talervereinbarung lief aus und 1960 gab Rom die Münzstempel an Österreich zurück – wo die Taler noch heute als Münzen ohne Nominalwert geprägt werden. (Specht, S. 78ff.)

Doch zurück zum Erfinder dieses schwunghaften Münzhandels: Johann Fries war unbeschreiblich umtriebig. Seine weiteren Geschäfte ausführlich zu beschreiben würde jeden Rahmen sprengen, daher sei hier nur noch die Gründung des Bankhauses „Fries et. Compagnie“ 1766 (Steeb, S. 67) genannt, weil dieses für das weitere Schicksal der Familie entscheidend werden sollte.

In seinen letzten Lebensjahren ließ Johann Fries – nunmehr Reichsgraf – ein prachtvolles Palais in unmittelbarer Nähe zur Hofburg, nämlich neben der Stallburg und vis-a-vis der Kaiserlichen Hofbibliothek errichten. Dieses in den 1780er Jahren erbaute Palais war damals ein Ausbund an Modernität und gefiel demnach der in architektonischen Belangen seit jeher recht konservativen Wiener Öffentlichkeit so gar nicht.

Das Ende des so erfolgreichen Grafen, der in seinem Leben alles erreicht hatte, was ein Mensch sich nur erträumen konnte, war allerdings tragisch und rätselhaft. Möglicherweise hatten ihn schon länger Depressionen geplagt und die öffentliche Debatte um sein neu errichtetes Palais wird wohl auch kaum zu einer Verbesserung dieses Zustandes beigetragen haben. Er ertrank jedenfalls in einem Teich seiner Ländereien in Vöslau – mit großer Wahrscheinlichkeit war es Selbstmord! (Steeb, S. 113 ff.)

Auch das weitere Schicksal seiner Familie war tragisch – der Reichtum ging größtenteils verloren und sein jüngster Sohn Moritz diente gar Ferdinand Raimund als Vorbild für den „Verschwender“. (Steeb, S. 307ff.) Doch das ist eine ganz andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden!

 

Bildnachweise

Palais Fries-Pallavicini: Mag. Rita Klement, www.vienna-city-guide.at

 

Quellen und Infos:

 

Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Band II De-Gy, Wien 1993.

 

Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. IV Theil, Wien 1858.

 

Edith Specht, Eine lange und weite Reise. Die Geschichte des Maria-Theresien-Talers. In: Elfriede Iby/Martin Mutschlechner/Werner Telesko/Karl Vocelka (Hrsg.) Maria Theresia 1717-1780. Strategin - Mutter - Reformerin, Ausstellungskatalog, Wien 2017.

 

Christian Steeb, Die Grafen von Fries. Eine Schweizer Familie und ihre wirtschaftspolitische und kulturhistorische Bedeutung für Österreich zwischen 1750 und 1830, Bad Vöslau 1999.

 

Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste. Leipzig 1731 -1754.

 

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Fries

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Fries