Margarete übergibt Tirol

Hässlich soll sie gewesen sein, herrschsüchtig und vor allem liederlich, in Märchen und Sagen erscheint sie als böse Figur. Der abwertende Name „Maultasch“ zielt wohl auf ihren angeblich unseriösen Lebenswandel ab. Dabei hatte Margarete es nur gewagt, sich im Ränkespiel der großen Mächte ihrer Zeit den Männern zu entziehen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dass aber eine Frau schlicht machtbewusst ihre Herrschaftsrechte ausübte und sich von einem ungeliebten Partner aus eigenem Entschluss trennte, war in der Mitte des 14. Jahrhunderts einfach undenkbar. Zudem hatte sie mit ihrem Handeln die machtpolitischen Pläne des Hauses Luxemburg – damals einflussreiche Könige von Böhmen – durchkreuzt, was diese freilich nicht auf sich sitzen ließen - Dirty Campaigning ist also wohl nicht erst im 20. Jahrhundert erfunden worden.

Margarete war die Tochter Heinrichs von Tirol, der auch das Herzogtum Kärnten regierte. Als dieser 1335 ohne einen männlichen Nachkommen – der einzige Sohn Leopold hatte das Kindesalter nicht überlebt – starb, ging das Herzogtum Kärnten zwar verloren, Margarete konnte aber aufgrund eines Vertrages, den ihr Vater mit Kaiser Ludwig dem Bayern geschlossen hatte, die Herrschaft in Tirol antreten. Dabei wäre Margarete gar nicht die Erbtochter des Meinhardiners Heinrich gewesen. Margarete hatte eine ältere Schwester. Doch Adelheid galt als unheilbar krank und wurde daher weder beim Schmieden der Heiratsbündnisse noch bei der Nachfolge berücksichtigt.

Als ihr Vater starb und sie die Herrschaft antreten sollte war Margarete 17 Jahre alt – und bereits seit fünf Jahren mit dem um vier Jahre jüngeren (!) Johann Heinrich von Luxemburg vermählt. Man kann sich also unschwer vorstellen, dass die beiden Teenager die Herrschaft kaum ohne fremde Beeinflussung ausübten. Tatsächlich wurde die Macht des Hauses Luxemburg in Tirol immer größer. Der Vater des jungen Ehemanns, König Johann von Böhmen, und sein älterer Bruder, Karl Markgraf von Mähren und späterer Kaiser Karl IV, mischten kräftig mit. Wichtige Posten in Tirol wurden mit Böhmen besetzt, ja Karl veranlasste sogar, dass eine böhmische Besatzung auf Schloss Tirol eingesetzt wurde. Es versteht sich fast von selbst, dass der Tiroler Adel dieser Entwicklung keineswegs Gutes abgewinnen konnte und so recht erfreut darüber war, dass offenbar die Beziehung der jungen Fürstin zu ihrem Gemahl zusehends in die Brüche ging. Im November 1341 war das Maß dann voll. Margarete sperrte ihren mittlerweile 19-jährigen Gatten kurzerhand aus dem Schloss aus, als dieser von einem Jagdausflug zurückkehrte. Mit ihm wurde die gesamte böhmische Besatzung aus dem Land gejagt.

Mit dieser zweifellos aufsehenerregenden Szene begann der Skandal, der wohl Margaretes katastrophalem Ruf zugrunde lag. Denn sie betonte zwar, dass die Ehe niemals vollzogen worden sei und ihr Mann impotent wäre und die Ehe daher annulliert werden müsse – doch sie wartete vor ihrer neuerlichen Eheschließung mit Ludwig von Bayern, dem Sohn des Kaisers, eben diese Annullierung nicht ab, zumal der Papst sie aus politischen Gründen ohnehin verweigert hätte. Margarete war demnach offiziell noch mit Johann Heinrich verheiratet, als sie Ludwig ehelichte – und wurde damit zur Bigamistin. Die Kirche tat daraufhin nicht nur das junge Fürstenpaar sondern das ganze Land in den Kirchenbann. Erst sieben Jahre später, als auch Margaretes erster Gemahl sich neu verheiraten wollte, stimmte auch er einer Auflösung der Ehe zu.

Aus dieser zweiten Verbindung Margaretes mit Ludwig gingen insgesamt vier Kinder hervor, der älteste Sohn Hermann starb mit nur sieben Jahren, auch zwei Töchter scheinen im Kindesalter verstorben zu sein. Nur ihr Sohn Meinhard erreichte das Erwachsenenalter. Doch das Schicksal wollte es, dass auch er die Herrschaft nicht lange ausüben sollte. Meinhard III. konnte zwar nach dem Tode des Vaters 17-jährig die Herrschaft antreten, doch er selbst starb ebenfalls bereits zwei Jahre später. Seine Ehe mit der Habsburgerin Margarethe war zudem kinderlos geblieben. Margarete blieb als kinderlose Witwe zurück und sah sich vor die Aufgabe gestellt, die Nachfolge in ihren Ländern zu regeln – nicht zuletzt um nach ihrem Tod einen Kampf um das Erbe Tirols zu vermeiden. Margarete handelte einmal mehr rasch und klar.

Nur 13 Tage nach dem Tod ihres einzigen überlebenden Sohnes, der am 13. Jänner 1363 gestorben war, übertrug Margarete mit der Urkunde vom 26. Jänner 1363 nun die Grafschaft Tirol an die habsburgischen Herzöge Rudolf IV, Albrecht III und Leopold III. Für die Habsburger war die Herrschaft in Tirol von zentraler Bedeutung. Sie hatten daher schon lange ein Auge auf dieses „gelobte Land“ geworfen. Einerseits war Tirol eine wichtige Verbindung zwischen den Habsburgischen Territorien und andererseits war die Grafschaft reich an Bodenschätzen.

Wenige Monate nach der Ausstellung der Urkunde verließ Margarete ihr Land für immer und ließ sich in Wien nieder, wo sie die letzten sechs Jahre ihres Lebens verbrachte. Sie starb im Oktober 1359, mit nur 51 Jahren.

Ihre letzte Ruhestätte fand Margarete in der Minoritenkirche in deren Nähe sie auch ihre letzten Lebensjahre verbracht hatte. Ihr Grabmal ging bei den zahlreichen Umbauten seither verloren. Lediglich ein Fragment, geziert mit dem Tiroler Adler, das heute im Arkadengang der Kirche aufbewahrt wird, dürfte von ihrer letzten Ruhestätte erhalten sein.

 

 

Quellen und Infos:

Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Geschichte Österreichs, Stuttgart 2015/2016.

Landesarchiv Tirol: https://www.tirol.gv.at/kunst-kultur/landesarchiv/archiv-und-quelle/26/

https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/kunst-kultur/landesarchiv/downloads/Tirol-Habsburg-1363.PDF

https://www.oesta.gv.at/veroeffentlichungen/archivale-des-monats/die-anfaenge-habsburgischer-grossmachtpolitik-die-erwerbung-tirols.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Margarete_Maultasch#tab=Personendaten