Von der Kreuz- zur Metastasiogasse – Straßennamen im Wandel

Bis zum 28. April 1886 hieß das kleine, heute als „Metastasiogasse“ bekannte Gässchen, das vom Volksgarten zwischen dem Montenuovopalais und dem Palais Dietrichstein auf der linken Seite und der Rückseite des heute zum Bundeskanzleramt gehörenden Gebäudekomplexes direkt zur Südfassade der Minoritenkirche führt, nach dem ursprünglichen Patrozinium der Kirche „Kreuzgasse“.

Dass die Gasse im späten 19. Jahrhundert nach dem Hofdichter Pietro Metastasio benannt wurde, hatte wohl mehrere Gründe. Einerseits bezog sich der Name „Kreuzgasse“ auf das frühere Patrozinium der Kirche. Die Franziskaner waren Anfang des 13. Jahrhunderts nach Wien berufen worden und hatten hier eine im Jahre 1251 unter dem Patrozinium des Heiligen Kreuzes geweihte Kirche errichtet. Dieses Gotteshaus durchlebte eine wechselvolle Geschichte ehe es von Joseph II der Italienischen Kongregation übertragen und am Ostersonntag des Jahres 1786  unter dem Namen „Madonna della Neve“ eingeweiht wurde. (http://www.minoritenkirche-wien.info)

Damit passte der Name Kreuzgasse nicht mehr zum Patrozinium der Kirche – was alleine aber sicher noch kein Grund für die Umbenennung der Gasse gewesen wäre. Doch in der Minoritenkirche befindet sich heute auch ein prachtvolles Denkmal für eben jenen Pietro Metastasio - und das sogar fast genau an der Stelle, an der die Metastasiogasse auf den Minoritenplatz bzw. auf die Südfassade der Kirche trifft!

Dieses Denkmal von Vincenzo Luccardi wurde im Jahre 1855 errichtet. Bereits einige Jahre zuvor hatten sich Mitglieder der italienischen Kongregation zusammengeschlossen, um dem in Rom geborenen Metastasio in der den Italienern von Joseph II zugewiesenen Kirche ein Denkmal zu errichten. Um die notwendigen finanziellen Mittel dafür aufzutreiben wurde eine groß angelegte Spendenaktion ins Leben gerufen. 4.843 Gulden konnten gesammelt werden. Den Rest übernahm der Initiator Pietro di Galvagni – ein Großhändler und Kunstmäzen - selbst, der im Übrigen auch von den genannten 4.843 Gulden bereits 1.400 selbst eingezahlt hatte. Die Gesamtkosten des Monuments beliefen sich auf stolze 8.795,28 Gulden. Unter den Spendern finden sich übrigens auch höchst prominente Namen. Denn gleich an erster Stelle der sogenannten Subscirbenten-Liste findet sich Kaiser Franz Joseph selbst. Er gab 400 Gulden für das Vorhaben. An zweiter Stelle wird ein weiterer Kaiser genannt – der abgedankte Vorgänger und Onkel Franz Josephs, Kaiser Ferdinand I. Er spendete die Summe von 200 Gulden. Man findet aber auch Namen wie Ritter von Ghega, den Erbauer der Semmeringbahn oder den Architekten Peter Nobile, der unter anderem das Burgtor errichtete. (Wiener Zeitung, Nr. 20/1857)

Noch im 19. Jahrhundert durch ein prachtvolles Denkmal geehrt ist Pietro Metastasio heute aber den meisten kaum mehr bekannt. Dabei war er in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der gefeierte Hofdichter Karls VI und auch Maria Theresia schätzte ihn sehr.

Geboren wird er als Sohn eines Gemüsehändlers in Rom im Jahre 1698. Schon als Kind zeigt sich seine literarische Begabung und er findet in Giovanni Vincenzo Gravina den Vorsitzenden der „Accademia dell`Arcadia“ einen Förderer der ihn sogar adoptiert. Diesem Gönner hat Pietro auch seinen Namen Metastasio zu verdanken, der auf das Altgriechische Wort für Wandlung oder Verwandlung anspielt. Gravina sorgt also für seine Ausbildung und vererbt ihm schließlich sogar sein Vermögen, was dem jungen Mann zuerst ein unbeschwertes Leben ermöglicht. Er scheint das ererbte Geld aber rasch verbraucht zu haben und widmete sich schließlich um Geld zu verdienen der Juristerei ehe er erneut mit der Kunst in Berührung kommt. Er lernt die gefeierte, aber deutlich ältere, Opernsängerin Marianna Benti-Bulgarelli kennen, deren Geliebter er schließlich wird. Für sie verfasst er seine erste Operndichtung und erschafft in der Folge einen ganz eigenen Opernstil, der ganz auf die neapolitanische Oper und deren Vorrang für die virtuosen Sänger und Sängerinnen zugeschnitten ist. Die üblichen Beiwerke wie komische Einlagen und dergleichen verschwinden in seinen Werken. (Blankenstein, S. 28ff.)

In den nächsten Jahren ist Metastasio unglaublich produktiv und schließlich wird auch der Kaiserliche Hof in Wien auf den Dichter aufmerksam und unterbreitet ihm das Angebot nach Wien zu kommen, das Metastasio gerne annimmt. Das angebotene Einkommen von 3.000 Gulden ist schließlich verlockend. Im Sommer des Jahres 1730 kommt Pietro in der Kaiserstadt an und bezieht eine repräsentative Wohnung im Michaelerhaus nahe der Hofburg, die er bis zu seinem Tod bewohnen wird. In den nächsten Jahren schreibt er jedes Jahr ein Bühnenwerk, aber auch Oratorien und andere Texte und erfüllt seine Aufgaben als Kaiserlicher Hofdichter. Als solcher hatte er eine wesentliche Funktion im Mikrokosmos des Hofes zu erfüllen, war barockes Zeremoniell doch niemals Selbstzweck sondern unverzichtbares Element der herrschaftlichen Repräsentation und damit in der Tat „staatstragend“. Nach dem Tod Karls VI blieb Metastasio zwar Hofdichter, doch das Zeitalter des Barock ist endgültig vorüber. Auch wenn Maria Theresia den Dichter schätzt, ändern sich die Voraussetzungen und die Produktivität des einstigen Vielschreibers lässt nach. Doch Metastasio hatte auch andere Betätigungsfelder – so wurde er etwa einer der Lehrer der damals noch jungen Komponistin Marianna von Martines (geb. 1744), deren Familie im gleichen Haus wohnte. Gleichzeitig verschlechterte sich in den letzten Jahren seines Lebens auch sein Gesundheitszustand und Pietro Metastasio verstarb schließlich im 84. Lebensjahr in seiner Wohnung im Michaelerhaus.  (Blankenstein, S. 28ff.)

Bestattet ist Pietro Metastasio aber nicht in der Minoritenkirche wo sein Denkmal steht, sondern in der Michaelerkirche, die direkt neben seinem ehemaligen Wohnhaus liegt. An der Fassade des Hauses, in dem er 52 Jahre lang als Hofdichter der Habsburgischen Kaiser lebte, erinnert heute eine Gedenktafel an den großen Operndichter.

Der Beschluss des Gemeinderates vom 28. April 1886, die Kreuzgasse nunmehr in Metastasiogasse umzubenennen wurde, so berichtet die Wiener Zeitung, auf Antrag des liberalen Gemeinderates Josef Matzenauer getroffen – 104 Jahre nach seinem Tod. (Wiener Zeitung Nr. 97/1886) An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erfuhr die Gasse dann auch noch eine weitgehende äußerliche Veränderung. Die bis dahin an ihrem Ende, direkt an der Kirche, befindlichen Häuser wurden abgerissen und seither gibt die Gasse einen wunderschönen Blick auf die Minoritenkirche frei und tritt man ein, findet man das Lebensgroße Standbild Metastasios.

 

 

Bildnachweis:

August Stauda (Fotograf), 1., Metastasiogasse - Allgemein - Blick gegen die in Abbruch befindlichen Häuser an der Südfassade der Minoritenkirche, 1901, Wien Museum Inv.-Nr. 24503, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/100054/)

 

Quellen und Infos:

 

Christian Blankenstein, Die Merk-würdigen von Gestern und ihre Spuren im Heute. 15 Portraits aus Österreich, Nordhausen 2011.

Wiener Kommunal-Kalender und städtisches Jahrbuch, Wien 1887.

Wiener Zeitung Nr. 97, 29. April 1886.

Wiener Zeitung, Nr. 20, 25. Jänner 1857.

http://www.minoritenkirche-wien.info/daten/frame.htm

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Pietro_Bonaventura_Metastasio

https://de.wikipedia.org/wiki/Pietro_Metastasio

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Metastasiogasse