Zum Dank für den Frieden

Die Erleichterung der Wiener Bürgerschaft muss groß gewesen sein, als am 7. Dezember 1797 Fürst Moritz von Liechtenstein als Kurier die Ratifikationsurkunden des Friedens von Campoformio überbrachte.[1] Denn noch im Frühling war Napoleon wie ein Sturmwind über die Österreichischen Länder hinweggefegt und hatte auch die Kaiserliche Haupt- und Residenzstadt bedroht. Am 2. Februar hatte Napoleon Mantua eingenommen und schon im April stand er mit seinen Truppen in der Steiermark. Nun war ernstlich zu befürchten, dass auch der Semmering kein Hindernis darstellen würde und die französischen Truppen in kürzester Zeit auch Wien bedrohen könnten.[2]

In seiner Not rief der schockierte Kaiser Franz II. – dem wohl zweifellos noch der Schrecken in den Knochen saß, dass nur 3 ½ Jahre zuvor seine Tante, die französische Königin Marie Antoinette auf dem Schafott hingerichtet worden war – die Bürger Wiens zu den Waffen. Die Wiener traf die Nachricht allerdings wie ein Schlag. Denn bis dahin hatte man seitens des Hofes noch Jubelpropaganda verbreitet und die Wiener wiegten allzu lange sich in völliger Sicherheit.[3]

Nun aber suchte man die Bevölkerung auf allen möglichen Kanälen der damaligen Zeit zu erreichen. Am 4. April wurde per öffentlichem Anschlag eine Kundmachung des Kaisers publiziert, in der es hieß: „der Feind (habe) durch wandelbares Kriegsglück getäuschet, wider besseres Verhoffen, jede Aussöhnung übermüthig (abgelehnt) oder auf unmäßigen die österreichische Nation drückenden Forderungen (bestanden, daher müsse) jeder getreue Unterthan, eingedenk der beschwornen Plicht, alle Kräfte anstrengen (…), um den Frieden muthvoll zu erringen(…)“ [4] Auch in der Wiener Zeitung wurde der Aufruf in der nächsten Ausgabe abgedruckt. Dort heißt es weiter, der Kaiser habe nie aufgehört an alle Mittel zu denken, „welche dem Unheil des Krieges hätten ein Ende machen können“ doch da das eben alles nichts genutzt habe, müsse man nun mobilisieren. Der Regierungspräsident Graf von Saurau, in dessen Namen der Aufruf erscheint, gibt weiter der Hoffnung Ausdruck, „dass die biederen Einwohner Wiens nicht weniger Muth und Treue beweisen werden, als ihre ruhmvollen Vorälteren, welche unter Ferdinand und Leopold I. auf den Wällen von Wien für Religion, Fürst, Vaterland und Ehre siegreich gestochen haben.“[5] Die Anspielung auf die Kaiser Ferdinand und Leopold ist klar – den Wienern soll das Schreckensszenario der beiden Türkenbelagerungen 1529 und 1683 recht plastisch vor Augen geführt werden, um sie so möglichst zahlreich zu den Waffen zu rufen.

Ob es die damit geschürten Ängste waren, oder ob die Wiener angesichts des enorm schnellen Vorrückens der französischen Truppen ohnehin alles getan hätten, um „für Religion, Fürst, Vaterland und Ehre“ – jedenfalls aber für Leib und Leben und das eigene Hab und Gut – zu kämpfen, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Fest steht aber, dass der Aufruf ausgesprochen erfolgreich war. Am 7. April teilte die Bürgerschaft dem Kaiser mit, könnte an die 30.000 waffenfähige Männer stellen – allerdings zur Verteidigung der Stadt und nicht um dem Feind entgegen zu marschieren. Man wies auf den Adel hin, der ohnehin in Massen aus der Stadt fliehen würde und auch nicht darauf angewiesen sei, sich und die Seinen mit der Hände Arbeit zu erhalten.[6]

Am gleichen Tag wurden aber auch die Eintragungslisten aufgelegt und erste Bürger trugen sich sofort ein. Einzelne Zünfte und Mitglieder des Handelsstandes stellen Kompanien auf, ebenso die Angehörigen der Universität.[7] An der Universität war Regierungsrat von Heß erschienen, um insbesondere die Studenten zu den Waffen zu rufen. Diese folgten dem Aufruf auch tatsächlich äußerst zahlreich. Schon am nächsten Tag hatten sich 700 Studenten eingeschrieben und marschierten mit Fahnen und Musik zur Hofburg um dem Kaiser dort ein „Vivat“ entgegenzurufen. Am 10. April waren es schon über tausend Studenten und am Tag darauf paradierten sie vor Kaiser und Kaiserin auf dem Glacis. Spannend ist, wie die Verpflegung und Ausrüstung der Studentenbrigade funktionierte. Denn hier wird berichtet, dass diejenigen, die vermögend waren sich selbst erhielten, den Stipendiaten wurden Vorschüsse auf ihre Stipendien gewährt und für 552 „arme Jünglinge“ wurde eine Subscription – also quasi eine Sammlung unter den Doktoren veranstaltet, die höchst reichlich ausfiel.[8] Angesichts dieser Zahl kann man zumindest drüber spekulieren, dass es wohl viel mehr „arme Jünglinge“ und Stipendiaten gewesen sein, als die Söhne der Wohlhabenden, die dem Aufruf folgten.

Insgesamt war am 17. April ein Aufgebot von 8476 Mann auf dem Paradeplatz zusammen gekommen. Zudem stand eine Bürgerwehr mit 7502 Mann in Bereitschaft. Der Kaiser erklärte zudem, dass er Hauseigentümern etwaige Schäden durch eine Belagerung aus seiner Privatschatulle ersetzen wolle und die Schanzarbeiten in den Vorstädten gingen mit rund 14.000 Mann zügig voran.[9] Trotzdem evakuierte man die meisten Mitglieder des Hofes zwischen 14. und 17. April. Die Erzherzoginnen und Erzherzöge verließen die Residenz und reisten nach Prag und Budapest.[10] Man wollte zumindest den Nachwuchs des Kaiserhauses in Sicherheit wissen. Kaiser und Kaiserin indessen bleiben in der Stadt.

Bei der Parade der fast 8500 Freiwilligen sind der Kaiser und die Kaiserin auch persönlich anwesend. Die Kaiserin Maria Theresa übergibt sogar den einzelnen Kompanien eigenhändig gestickte Fahnenbänder. Nach der anschließenden Fahnenweihe ziehen die Freiwilligen nach Klosterneuburg.[11]

Doch all diese Vorbereitungen stellen sich - für den Moment zumindest - als unnötig heraus. Denn schon am 18. April 1797 gelingt es Erzherzog Karl mit Napoleon den Vorfrieden von Leoben zu schließen.[12] In Wien dauert es allerdings eine ganze Weile, bis die gute Nachricht eintrifft. Erst am 29. April berichtet die Wiener Zeitung über die Tags zuvor veröffentlichte Kundmachung des Vorfriedensvertrages.[13] Die patriotischen Freiwilligen Wiens jedenfalls dürfen ohne jede Feinberührung wieder nach Hause abmarschieren.

Bis zum – zumindest vorläufig - endgültigen Friedensvertrag sollte es dann bis in den Herbst dauern. Doch mit dem für Österreich eigentlich recht passablen Friedensschluss war der 1. Koalitionskrieg beendet – und noch wusste man ja schließlich nicht, dass dem noch weitere folgen würden. Napoleon verlangte, dass die Habsburgischen Niederlande endgültig aufgegeben werden müssten, auch die Unabhängigkeit der „Cisalpinischen Republik“ mit der Hauptstadt Mailand war anzuerkennen. Dafür erhielten die Habsburger aber Istrien, Dalmatien, die Bucht von Cattaro und Venedig zugesprochen. [14]

Im Dezember langten schließlich auch die Ratifikationsurkunden des sogenannten Vertrages von Campoformio in Wien ein. Fürst Moritz von Liechtenstein überbrachte als Kurier die wichtigen Schriftstücke, die den Frieden zwischen General Napoleon als Bevollmächtigtem der französischen Republik und Kaiser Franz II. besiegelten.[15] Einmal mehr zeigt sich hier, wie lange die Reisewege am Ende des 18. Jahrhunderts immer noch waren, denn ausgestellt wurden die Urkunden bereits am 1. Dezember.[16]

Die Wiener waren offenbar unendlich erleichtert, dass das Aufgebot der 8.500 Freiwilligen doch nicht hatte gegen Napoleon marschieren müssen. Schon wenig Tage nach dem Einlangen der Ratifikationsurkunden suchte man um Audienz bei Hofe an, welche freilich auch allergnädigst gewährt wurde. 24 Deputierte der Bürgerschaft erschienen vor dem Herrscherpaar, um die Dankschreiben an beide zu überreichen. Diese Schreiben waren aber natürlich keine einfachen Briefe, sondern höchst repräsentative Gegenstände. Die Dankesworte der Bürgerschaft waren auf Pergament „zierlich geschrieben“ und sie befanden sich jeweils in einem Umschlag aus Samt, der zudem mit Gold und Silber bestickt war. Ein Vertreter der Abordnung sprach während der Überreichung Dankesworte.[17] Das Denkwürdige Ereignis wurde darüber hinaus in Kupfer gestochen, also als Abbildung für die Nachwelt bewahrt.

Die Wiener Bürgerschaft war Ende des Jahres 1797 also ganz offensichtlich ausgesprochen erleichtert über den Friedensschluss – man ahnte schließlich noch nicht, dass in den kommenden 12 Jahren die Franzosen Wien gleich zwei Mal einnehmen und schwere Verwüstungen anrichten sollten – doch das ist bereits eine andere Geschichte….

 

Bildnachweis:

 

Johann Hieronymus Löschenkohl (Verlag), Johann Renard (Kupferstecher), Die Überreichung der Dankschreibens der Wiener Bürgerschaft für den Frieden an Maria Theresia (Gemahlin Kaiser Franz II.) am 13. Dezember 1797, 1797, Wien Museum Inv.-Nr. 19940, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/149527/)

Johann Renard (Kupferstecher), Johann Hieronymus Löschenkohl (Verlag), "Uiberreichung der Zuschrift der Wiener Bürgerschaft bey Wiederkehr des Friedens an Ihre Majestät d Kaiserin Maria Theresia bey ihrer am 13 Decemb: 17, 1797, Wien Museum Inv.-Nr. 62021, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/131876/)

 

 

Quellen und weitere Infos:

Wienerischer Zeitung, 5. April 1797.

Wienerischer Zeitung, 19. April 1797.

Wienerischer Zeitung, 29. April 1797.

Wienerischer Zeitung, 9. Dezember 1797.

Peter Csendes/Ferdinand Oppl (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt, Von 1790 bis zur Gegenwart, Wien/Köln/Weimar 2006.

Ernst von Feuchtersleben, Das fünfzigjährige Jubiläum des Aufgebotes der Wiener Hochschule zum Kriegsdienste am 7. April 1797 : zugleich gefeiert mit dem Restaurationsfeste der Universität am 2. April 1847, Wien 1847.

Anton Edler von Geusau, Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Wien in Oesterreich in einiger Verbindung mit der Geschichte des Landes; von den ältesten bis auf die gegenwärtigen Zeiten. Des fünften Theils erster Band, Wien 1807.

Johannes Sachslehner, Wien. Eine Geschichte der Stadt, Wien 2012.

Karl Weiss, Geschichte der stadt Wien, Bände 1-2, Wien 1872.

 

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Freiwilligenformationen


Bildnachweis:

 Johann Hieronymus Löschenkohl (Verlag), Johann Renard (Kupferstecher), Die Überreichung der Dankschreibens der Wiener Bürgerschaft für den Frieden an Maria Theresia (Gemahlin Kaiser Franz II.) am 13. Dezember 1797, 1797, Wien Museum Inv.-Nr. 19940, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/149527/)

 Johann Renard (Kupferstecher), Johann Hieronymus Löschenkohl (Verlag), "Uiberreichung der Zuschrift der Wiener Bürgerschaft bey Wiederkehr des Friedens an Ihre Majestät d Kaiserin Maria Theresia bey ihrer am 13 Decemb: 17, 1797, Wien Museum Inv.-Nr. 62021, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/131876/)


 



[1] Wiener Zeitung, 9. Dezember 1797.

[2] Feuchtersleben, S. 4; Sachslehner, S. 189 und Csendes/Oppl S. 91.

[3] Weiss, S. 120.

[4] Feuchtersleben, S. 4.

[5] Wiener Zeitung, 5. April 1797.

[6] Weiss, S. 121.

[7] Weiss, S. 121.

[8] Feuchtersleben, S. 6.

[9] Weiß, S. 121.

[10] Wiener Zeitung, 19. April 1797.

[11] Wiener Zeitung, 19. April 1797.

[12] Sachslehner, S. 189.

[13] Wiener Zeitung, 29. April 1797.

[14] Sachslehner, S. 189 und Csendes/Oppl, S. 91.

[15] Wiener Zeitung,  9. Dezember 1797.

[16] Geusau S. 187.

[17] Geusau, S. 187.