Die „Englischen Fräulein“ siedeln sich an – oder: Mädchenbildung mit Startschwierigkeiten

Genau heute vor 311 Jahren, am 23. Jänner 1709 übersiedelten die Englischen Fräulein feierlich in das neu gebaute Haus in der Linzerstraße. Vier Jahre zuvor hatte die Münchner Vorsteherin des Ordens ein Schreiben an Kaiser Joseph I gerichtet und um die Bewilligung der Niederlassung in den habsburgischen Ländern angesucht.

Die Ansiedelung in St. Pölten gestaltete sich allerdings zu Anfang ein wenig holprig. Der Stadtrat beschäftigte sich in gleich fünf Sitzungen mit der heiklen Causa der Mädchenausbildung und erteilte schließlich einen abschlägigen Bescheid. Der Probst verweigerte eine Niederlassung im Klosterviertel und eine weitere „Entfremdung“ bürgerlicher Häuser wurde ebenfalls nicht gewünscht – zumal, wozu sollten Bürgermädchen eine Schule brauchen?

Doch die Englischen Fräulein hatten auch Fürsprecher, etwa den Vizestatthalter Johann Jakob Kriechbaum, der sich für das Institut stark machte und dessen Schwester Maria Anna seit Jahren dem Orden angehörte und auch die neue Oberin in St. Pölten werden sollte.

So kam die Congregatio Jesu, wie der 1609 gegründete Orden zur Mädchenbildung offiziell heißt, dann 1706 doch nach St. Pölten und schon ein Jahr später konnte eine zweiklassige Mädchenschule eröffnen, die den Töchtern der Adelsfamilien aber auch den Bürgermädchen eine Ausbildungsmöglichkeit gab – was damals eben bei Weitem keine Selbstverständlichkeit war! Zwei Jahre später wurde sogar ein Vertrag mit den Niederösterreichischen Ständen geschlossen, der die Ausbildung von je sechs armen „von allhiesigen Landmitgliedern aus gültiger Ehe erzeugte Fräulein“ garantieren sollte.

Einige Jahre später wurde durch Jakob Prandtauer die Kapelle errichtet. Die heute sichtbare barocke Fassade stammt aus den 1760er Jahren und wurde wohl im Zuge der Vergrößerung der Kapelle von Mathias Munggenast geschaffen.

Die Skulpturen an der Fassade wurden wahrscheinlich von Andreas Gruber geschaffen, einem Bildhauer, der ursprünglich aus Augsburg stammend, sich in den 1750er Jahren in St. Pölten niedergelassen hatte und am Rathausplatz ein Haus besaß, in dem er auch das Schankgewerbe betrieb.

Die linke Skulptur zeigt übrigens die Heilige Anna – also die Mutter der Gottesmutter Maria – wie sie ihrer Tochter das Lesen beibringt.

 

Mehr über die spannende Geschichte St. Pöltens erfahrt ihr auf einer Führung!

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Ich freue mich auf euch!

 

 

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Manfred Wieninger, St. Pöltner Straßennamen erzählen, 2017.

Thomas Karl, Thomas Pulle, Ronald Risy, St. Pölten. Kultur, Kunst, Natur, 2014.

Karl Gutkas (Hrsg.), Landeschronik Niederösterreich, 1990.