1.400 Meisterwerke

Viele Habsburger waren ausgesprochene Kunstkenner und -liebhaber. Viele von ihnen waren auch namhafte Kunstsammler, galt doch das Sammeln, Besitzen und natürlich Zurschaustellen erlesener Werke als wichtiger Teil der Herrschaftsrepräsentation. Einige Habsburger allerdings stachen ob ihrer Obsession für Kunst besonders heraus. Unter ihnen befand sich auch Erzherzog Leopold Wilhelm, zweiter Sohn Kaiser Ferdinands II. Er verstarb heute vor genau 358 Jahren, am 20. 11. 1662 in Wien.

In der ehemaligen Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt findet sich noch heute sein Vermächtnis – denn ein nicht unerheblicher Teil der Sammlungen des heutigen Kunsthistorischen Museums gehen auf diesen kunstsinnigen Habsburger zurück.

Leopold Wilhelm wurde1614 in Graz geboren und schon als Elfjähriger - für die geistliche Laufbahn bestimmt – Koadjutor seines Onkels Leopold in dessen Bistümern Passau und Straßburg. Nur Monate darauf trat er sogar die Nachfolge seines Onkels an, allerdings knüpfte der Papst seine Zustimmung daran, dass solange der junge Fürst minderjährig sei, die bischöflichen Tätigkeiten von Administratoren wahrgenommen werden sollten.[1] Später wurde Erzherzog Leopold Wilhelm zum wahren Ämterkumulierer – er war Bischof von Straßburg, Passau und Halberstadt und Breslau sowie Erzbischof von Magdeburg und Olmütz. Außerdem war Leopold Wilhelm Hochmeister des Deutschen Ordens[2] - und all das, ohne jemals zum Priester geweiht worden zu sein.[3]

Die Zeit in der Erzherzog Leopold Wilhelm lebte hätte kaum turbulenter sein können. Als er kaum vier Jahre alt war, brach der Dreißigjährige Krieg aus. Die Laufbahn des jungen Habsburgers war daher trotz seiner zahlreichen geistlichen Ämter und seiner persönlichen Frömmigkeit weniger von der Religion geprägt als vom Krieg. 1639 – als 25-Jähriger- wurde Leopold Wilhelm Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armeen und konnte in dieser Funktion einige Erfolge erzielen.[4] Allerdings leistete er sich später auch Fehler, die zu fatalen Niederlagen führten. 1642 wagte er gegen den Rat des Feldmarschalls Piccolomini die Schlacht von Breitenfeld (nahe Leipzig) und verlor gegen ein zahlenmäßig unterlegenes schwedisches Heer. Daraufhin legte er den Oberbefehl nieder. Leopold Wilhelm war aber trotzdem ein fähiger und talentierter Heerführer, sodass er, als die Lage für die Kaiserlichen immer aussichtsloser wurde, 1645 erneut den Oberbefehl erhielt. Die Machtfülle, über die der Erzherzog nun verfügte war immens. Doch seine Reformversuche und vor allem seine nun immer mehr den Ausgleich suchende Haltung stieß auf erbitterte Gegnerschaft. [5]

1646 bot ihm der vorletzte Habsburgische König von Spanien, Philipp IV, die Regentschaft in den Niederlanden an. Dort brauchte man einen guten Diplomaten. Leopold Wilhelm brachte auch tatsächlich das Kunststück einer Einigung mit den von Spanien abgefallenen Vereinigten Provinzen der Niederlande im gemeinsamen Kampf gegen den Erzfeind Frankreich zustande, doch die errungenen militärischen Erfolge ließen sich nicht halten und Leopold Wilhelm legte 1656 das Generalgouvernment nieder. Als er nun nach Wien zurückkehrte, nahm er seine bereits bei den Zeitgenossen berühmte Gemälde- und Gobelinsammlung mit sich.[6]

Leopold Wilhelm hatte bereits vor seiner Zeit in den Niederlanden in Wien Künstler als Mäzen unterstützt, doch in den Niederlanden verstärkte sich seine Sammlungstätigkeit immer weiter. [7] Die Zeitumstände waren für das Anlegen großer Sammlungen zudem günstig. Nachdem der englische König Karl I 1649 abgesetzt worden war, kamen seine und die Sammlungen seiner engsten Höflinge auf den Markt. Darunter waren bedeutende Werke Giorgiones Tizians, Tintorettos oder Veroneses aber auch Arbeiten der römischen Malschule wie Guido Renis.[8]

Erzherzog Leopold Wilhelm kaufte im großen Stil ein und brachte seine Sammlung bei seiner Abreise aus Brüssel mit nach Wien. Sein Inventar von 1659 umfasst die sagenhafte Zahl von nicht weniger als 1400 Kunstwerken[9] die in der Stallburg untergebracht wurden.[10]

Dass er nicht nur Bilder sammelte, sondern auch Bilder von den gesammelten Bildern malen ließ, ist eine Tradition, die Erzherzog Leopold Wilhelm ebenso wie die Bilder aus den Niederlanden mitbrachte. Dort etablierte sich der Typus der gemalten Bildergalerie seit dem frühen 17. Jahrhundert. Den Auftrag für insgesamt neun dieser reinen Repräsentationsobjekte erhielt David Teniers, der Kammerherr Hofmaler und Verwalter der erzherzöglichen Galerie war.[11]

Das Wiener Gemälde im KHM hatte der Erzherzog an seinen Bruder Ferdinand III. nach Prag gesandt.[12] Es zeigt Erzherzog Leopold Wilhelm in einem fiktiven Galerieraum mit insgesamt 51 Bildern, die er erst kurz zuvor aus der Sammlung des Duke of Hamilton gekauft hatte.[13]


Quellen und weitere Infos:

https://www.khm.at/objektdb/detail/1897/ 

Cäcilia Bischoff, Meisterwerke der Gemäldegalerie, Wien 2017.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Susanna Partsch, Schau mir in die Augen Dürer, München 2018.

Otto zu Stolberg-Wernigerode, Neue deutsche Biographie, Bd.: 14, Berlin, 1985.




[1] Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988, S. 250.

[2] Otto zu Stolberg-Wernigerode, Neue deutsche Biographie, Bd.: 14, Berlin, 1985, S. 296ff.

[3] Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988, S. 250.

[4] Ebd.

[5] Otto zu Stolberg-Wernigerode, Neue deutsche Biographie, Bd.: 14, Berlin, 1985, S. 297.

[6] Ebd.

[7] Ebd.

[8] Cäcilia Bischoff, Meisterwerke der Gemäldegalerie, Wien 2017 S. 14.

[9] Cäcilia Bischoff, Meisterwerke der Gemäldegalerie, Wien 2017 S. 14.

[10] Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988, S. 252.

[11] Cäcilia Bischoff, Meisterwerke der Gemäldegalerie, Wien 2017, S. 186.

[12] Cäcilia Bischoff, Meisterwerke der Gemäldegalerie, Wien 2017, S. 186.

[13] Susanna Partsch, Schau mir in die Augen Dürer, München 2018, S. 26.