Das Ende eines turbulenten Jahres

Am 2. Dezember fand eines der turbulentesten Jahre der österreichischen Geschichte seinen - zumindest politischen - Abschluss: das Jahr 1848. Seit März war die Revolution über das einst so beschaulich-biedermeierliche Habsburgerreich hinweggefegt und hatte keinen Stein auf dem anderen gelassen.

Die Revolution war aber nicht nur im Habsburgerreich ausgebrochen. Sie hatte ihren Anfang schon im Februar in Frankreich genommen und weite Teile Mitteleuropas ergriffen. Dass der Funke recht rasch auf Österreich übersprang, hatte nicht in erster Linie mit dem restriktiven „System Metternich“ zu tun, das die Zeit des Vormärz geprägt hatte, sondern vor allem mit der wirtschaftlichen Lage weiter Teile der Bevölkerung! Im Jahr zuvor hatte es eine Missernte gegeben, die Lebensmittelpreise kletterten unaufhörlich und das Volk hungerte. Die Menschen wollten daher nur eins – dass sich endlich etwas ändert!

Das Kaiserhaus reagierte mit Unverständnis. Kaiser Ferdinand wird nachgesagt, er habe angesichts der aufständischen Bürger ein leicht verzagtes „Ja, dürfen’s denn des?“ ausgerufen. Aus Angst vor dem eigenen, nun revoltierenden Volk war der Hof mehrmals in diesem Jahr geflohen, erst nach Innsbruck, im Oktober dann – einen Tag nachdem der Kriegsminister Latour einem wütenden Mob zum Opfer gefallen und an einer Laterne gelyncht worden war - nach Olmütz.

Spätestens jetzt war auch klar, es musste sich tatsächlich etwas ändern – und zwar um eben so wenig wie möglich ändern zu müssen! Am 2. Dezember verzichtete daher der als schwach und regierungsunfähig angesehene Kaiser Ferdinand I. auf sein Amt und überließ seinem jugendlichen Neffen Franz Joseph die Bürde des Regierens.

Dieser musste allerdings zuerst volljährig erklärt werden – er war immerhin gerade erst 18 Jahre geworden – und sein Vater, Erzherzog Franz Karl – der Bruder des abdankenden Ferdinand I – musste auf den Thron verzichten, um für seinen Sohn den Weg frei zu machen. In Wien wurde der Regierungswechsel übrigens erst am nächsten Tag bekannt gemacht. Und die Wiener, noch immer unter dem verhängten Standrecht stehend, nahmen die Nachricht schlicht zur Kenntnis. Kein Jubel brandete auf, man erhoffte sich wohl nicht allzu viel. Wer auf eine nun baldige Rückkehr des Hofes gewartet hatte, wurde ohnehin enttäuscht. Die ersten Monate seiner Regierung verbrachte der junge Monarch nämlich auch weiterhin in sicherer Entfernung von seiner renitenten Haupt- und Residenzstadt in Olmütz. Erst am 5. März 1849 kehrte er nach Wien zurück.

Die Revolution hatte beim Hof tiefe Spuren des Misstrauens gegenüber dem eigenen Volk hinterlassen. Die Herrschaft des jungen Kaisers stützte sich nicht zuletzt deshalb zu Anfang vor allem auf das Militär, das die Revolution niedergeschlagen hatte – oder vielmehr noch immer niederschlug, denn etwa in Ungarn, war der Aufstand am Ende des Jahres 1848 noch längst nicht vorbei. Als Franz Joseph kurz nach seinem Regierungsantritt seine erste Urkunde mit dem offiziellen  „WIR, Franz Joseph …“ begann, machte bald der böse Witz die Runde, die Buchstaben W, I und R stünden wohl für Windischgrätz, Jellačić und Radetzky – die Führer der kaiserlichen Armeen. Auch die weitere Regierungszeit Franz Josephs, der es ja eigentlich einer Revolution zu danken hatte, dass er auf dem Thron saß, war weniger von fortschrittlichen Gedanken als von der Restauration der absolutistischen Herrschaft und der Aufrechterhaltung der alten Ordnung geprägt.

Der Michaelertrakt der Hofburg, über dessen Tor so eindrucksvoll Initialen und Wappen des wahrscheinlich bekanntesten österreichischen Monarchen prangen, kann symbolhaft für die 68-jährige Regierungszeit Franz Josephs gesehen werden - wurde doch hier das Konzept Joseph Emanuel Fischer von Erlachs aus dem frühen 18. Jahrhundert kurz vor dem Ende des 19. Jahrhunderts noch umgesetzt. Die Habsburger errichteten hier an der Schwelle zum Jugendstil und der Moderne noch einmal einen Barockpalast.


Quellen und weitere Infos:

Peter Csendes/Ferdinand Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt, Band 3. Von 1790 bis zur Gegenwart, Wien/Köln/Weimar 2006.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wienb 1988.

Brigitte Vacha (Hrsg.), Die Habsburger. Eine europäische Familiengeschichte, Graz/Wien/Köln 1992.

Gudula Walterskirchen, Der Franzi war ein wenig unartig. Hofdamen der Habsburger erzählen, St. Pölten/Wien/Salzburg 2013.

 https://www.wienerzeitung.at/startseite/archiv/195163_Sei-nur-brav-es-is-gern-geschehen-.-.-..html

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Joseph_I.

https://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_von_1848/1849_im_Kaisertum_%C3%96sterreich

https://www.habsburger.net/de/kapitel/ja-duerfens-denn-des-die-revolution-1848