Starb Mark Aurel in Wien?

Die einfache Antwort ist – wir wissen es nicht zweifelsfrei! Fest steht allerdings, dass Mark Aurel in Wien heute noch weit präsenter ist als alle anderen Imperatoren vor oder nach ihm. Sogar vom berühmten Kaiser Probus, der den Wienern (aber freilich nicht nur denen) den Weinbau, sind nur ein Straßenname und ein modernes Mosaik in Heiligenstadt geblieben. Mark Aurels Andenken dagegen können wir gleich mehrfach in der Stadt begegnen – als Straßenname oder Standbild, als Portrait am Stock im Eisen-Platz und sogar auf der Ankeruhr!

Der Grund für Mark Aurels Bedeutung für die Stadt liegt darin, dass sich immer wieder die Angabe findet, er sei in Wien – also dem damaligen Legionslager Vindobona – gestorben. Wahrscheinlicher  ist aber wohl, dass er in oder bei Sirmium im heutigen Serbien einer Krankheit erlag.

Er starb jedenfalls, am Datum gibt es keinen Zweifel, heute vor 1.841 Jahren und ist der Nachwelt vor allem als Philosoph auf dem Kaiserthron in Erinnerung geblieben. Seine Mahnung an sich selbst, „nicht zu verkaisern“, also sich nicht von der Macht korrumpieren zu lassen, ist jedenfalls zu jeder Zeit aktuell!

Wenn Ihr mehr über Mark Aurel wissen wollt, schaut wie immer gerne in den Blog auf www.vienna-city-guide.at oder kommt in die FB-Gruppe https://www.facebook.com/groups/dasaltewienneuentdeckt

 

Text:

Mark Aurel war zweifellos eine Ausnahmeerscheinung unter den römischen Kaisern. In Wien wird sein Andenken auf besondere Weise hochgehalten, da das Legionslager Vindobona, auf dessen Mauern das spätere Wien entstand, immer wieder als möglicher Sterbeort des Philosophen auf dem Kaiserthron genannt wurde und wird.

Mark Aurel war zwar nicht seit seiner Geburt zum künftigen Kaiser bestimmt, aber er stammte aus einer angesehenen und politisch wichtigen Familie, die sogar mit der Familie Kaiser Hadrians verbunden war. Sein Großvater war Konsul und Städtpräfekt von Rom, die Familie besaß große Ziegeleien. Eine bedeutende Ämterlaufbahn wäre dem Jungen also sicher gewesen. Das Schicksal allerdings hatte anderes vor mit dem als Marcus Annius Catilius Severus geborenen Knaben. Nach dem frühen Tod des Vaters sorgte der Großvater für seine ausgesprochen fundierte Ausbildung.(Kuhoff, S. 26ff.)

Der Großvater adoptierte ihn zudem aus erbrechtlichen Gründen. Doch sollte dies nicht die letzte Adoption bleiben, denn Kaiser Hadrian schätzte das aufgeweckte Kind und wollte ihn als Nachfolger. Allerdings war der spätere Mark Aurel – die mehrfache Änderung des Namen ist auf die Adoptionen zurückzuführen – noch zu jung. So adoptierte, sehr verkürzt gesagt, Hadrian erst Antonius Pius und dieser wiederum adoptierte auf Hadrians Wunsch Mark Aurel. (Demandt, S. 95ff.)

Als Antonius Pius 161 stirbt tritt Mark Aurel die Nachfolge an. Doch dies tut er nicht allein, sondern gemeinsam mit seinem Adoptivbruder Lucius Aurelius Verus (der allerdings bereits im Jahr 169 stirbt). Dass er die Macht teilen wollte war ein Novum und deutete bereits seine Amtsauffassung an, da es ihm weniger um die eigene Macht als um eine möglichst gute Amtsführung ging. (Demandt, S. 136.)

Mark Aurel regierte insgesamt 19 Jahre, die von Kriegen ebenso geprägt waren wie von verheerenden Seuchen. Der Nachwelt ist er aber weniger als Kriegsherr denn als Philosoph auf dem Kaiserthron im Gedächtnis geblieben.

Das Todesdatum Mark Aurels wird von den Quellen recht einheitlich mit dem 17. März 180 überliefert. Fraglich ist allerdings der Ort, an dem er starb. In der Literatur findet sich dabei auch immer wieder Wien als Sterbeort. (z.B. Demandt, S. 402.)

Mark Aurel befand sich als er starb jedenfalls im Krieg. Im Spätsommer 178 war er mit seinem Sohn Commodus zur expeditio Germanica secunda, einem neuerlichen Feldzug gegen die unruhigen Völkerschaften an der unteren und mittleren Donau aufgebrochen. Man hielt sich in Viminacium, einem Lager an der Donau im heutigen Serbien, auf und hielt dort Verhandlungen mit verschiedenen Völkerschaften ab. Im Herbst 179 zog der Kaiserhof wieder Richtung Norden, nach Sirmium an der Save. (Kuhoff, S. 143ff.) Die Frage ist, ob er kurz vor seinem Tod nach Vindobona aufbrach und dort starb.

Da die Schrift des christlichen Autors Tertullian, eines Zeitgenossen Mark Aurels, die älteste Quelle ist, die vom Tode des Imperators berichtet und diese den Todesort nur rund 17 Jahre nach dem Ableben des Kaisers mit Sirmium angibt, wird dieser Ort wohl als sehr wahrscheinlicher Todesort bezeichnet werden können. Die Annahme, Mark Aurel sei im damaligen Lager Vindobona gestorben, geht auf eine deutlich jüngere Quelle zurück. Dort formuliert der spätantike Geschichtsschreiber Aurelius Victor um das Jahr 360, der Kaiser sei in Vendobonae gestorben. Rund 40 Jahre später, also um 400 gibt die Epitome de Caesaribus, eine knappe römische Kaisergeschichte Bendobonam als Sterbeort an. Die moderne Forschung führt daher ins Treffen, dass aufgrund der sprachlichen Nähe dieser Bezeichnungen eine Bononia genannte Örtlichkeit nahe Sirmiums als Sterbeort Mark Aurels in Frage kommt. (Kuhoff, S. 146f.) Dagegen spräche allerdings, dass Herodian, ein um 175 geborener Geschichtsschreiber, zwar nur Pannonien als Ort des Todes nennt, (Kuhoff, S. 146) aber von einem Lager an der Donau spricht, was wiederum Sirmium ausschließen würde. Sollte er in Wien gestorben sein, wird er wohl im Legatenpalast, dem Praetorium des Lagers, ungefähr im Bereich des heutigen Schulhofs, untergekommen sein. (Demandt, S. 402)

Aber nicht nur der Sterbeort des berühmten Philosophen-Kaisers wird heiß diskutiert, auch die Umstände, die zu seinem Ableben im Alter von nur rund 59 Jahren führten, sind fraglich. Die früher immer wieder genannte Pest als Ursache wird heute auszuschließen sein. Diese Vermutung war darin begründet, dass Mark Aurel angeblich seinen Sohn weggeschickt habe, um ihn vor Ansteckung zu schützen. Allerdings wird schon länger davor von einer Krankheit des Kaisers gesprochen. (Kuhoff, S. 147ff.)

Wie auch bei der Frage nach dem Sterbeort ist auch die Debatte um die Todesumstände einzig und allein eine Frage nach der Würdigung der jeweiligen Quellen, bei der man nicht außer Acht lassen darf, dass hinter jeder Aufzeichnung einer Kaiser-Vita immer eine Absicht steht, der Autor also immer ein bestimmtes Bild zeichnen will. Demnach sind vor allem Schilderungen, die besonders heroisch sind oder nahezu idealtypisch anderen Beschreibungen gleichen eher ins Reich der Legende zu verweisen.

Wiederum außer Zweifel steht, dass die Nachwelt Mark Aurel ein überwiegend sehr positives Zeugnis ausstellt. Vor allem seine philosophischen Schriften haben dazu beigetragen. Zwischen 170 und 178 verfasste Mark Aurel in zwölf Büchern seine Selbstreflexionen. (Schmalzriedt/Nesselrath, S. 161) Da  im Jahr 167 nach einer langen Friedensperiode erste germanische Angriffe erfolgten (Kuhoff, S. 102) schrieb Mark Aurel einiges davon in Militärlagern. Das erste entstand nach einer vagen Ortsangabe im Land der Quaden, das zweite in Carnuntum nahe Wien. Für die restlichen Bücher fehlt eine solche Ortsangabe. (Kuhoff, S. 286.)

Im Gedächtnis blieb Mark Aurel auch wegen seiner in seinen Schriften dargelegten Herrschaftsauffassung. Denn seine Selbstbetrachtungen beinhalten zahlreiche Reflexionen darüber, wie Macht und Philosophie in Einklang zu bringen seien. So ermahnt er sich etwa selbst „nicht zu verkaisern“, also sich nicht von den Verlockungen der Macht korrumpieren zu lassen. (Horst, S. 11; Paulsen, S. 23.)  Und da diese Forderung wohl auch heute zweifellos noch aktuell ist, hat er sich, ganz gleich wo er letztlich starb, die Denkmäler, die ihm errichtet wurden sicherlich redlich verdient.

 

Quellen und weitere Infos:

 

Alexander Demandt: Marc Aurel. Der Kaiser und seine Welt, München 2018.

Claudia Horst, Marc Aurel. Philosophie und politische Macht zur Zeit der Zweiten Sophistik, Stuttgart 2013.

Wolfgang Kuhoff, Mark Aurel. Kaiser, Denker, Kriegsherr. Stuttgart 2019.

Thomas Paulsen, Die Literatur der Antike, Stuttgart 2017.

Egidius Schmalzriedt/Heinz-Günther Nesselrath, Mark Aurel, In: Anna Schriefel, Kindler Kompakt. Philosophie der Antike, Stuttgart 2016.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Aurel

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Probusgasse

https://de.wikipedia.org/wiki/Tertullian

https://de.wikipedia.org/wiki/Aurelius_Victor

https://de.wikipedia.org/wiki/Epitome_de_Caesaribus

https://de.wikipedia.org/wiki/Herodian