Ein „böser Geist“ – stets aktuell!

Am 7. Dezember 1801 – also vor 219 Jahren wurde im Haus mit der Konskriptionsnummer 1190 innere Stadt, der heutigen Bräunerstraße 3, in einem wohlanständigen Haus ein kleiner Bub geboren und noch am selben Tag im Haus auf die Namen Johann Nepomuk Eduard Ambrosius getauft. Eine solche rasche Taufe schien damals bei allen Ständen geboten und eben auch der Sohn eines aus Mährisch-Schlesien eingewanderten Juristen, der als „Hof- und Gerichtsadvokat“ zum angesehenen Bürgertum gehörte, wurde noch am selben Tag in den Schoß der Kirche aufgenommen. Denn um 1800 starben rund 40% der Kinder noch vor ihrem fünften Geburtstag, viele überlebten besonders die gefährliche Säuglingszeit nicht. Daher war eine rasche Taufe notwendig, um den kleinen Erdenbürger in die Gemeinschaft der Christenheit aufzunehmen. Dass ein Kind ungetauft sterben könnte, fürchteten die Eltern nämlich mindestens genauso wie den Verlust des Kindes selbst. Ohne Taufe war eine würdige Beisetzung nicht möglich. Das „Rituale Viennense“ von 1774 - also ein ganz aktuelles Werk zum Zeitpunkt der Geburt unseres kleinen Johann Nepomuk Eduard Ambrosius – rechnete Kinder, die ohne Taufe starben, zu dem Personenkreis, der eben nicht feierlich mit Gebeten bestattet werden durfte. Damit war dem kleinen Kind aber auch die selige Bleibe im Jenseits verwehrt und es musste auf ewig im Limbus puerorum, einer Art Vorhölle, verweilen, aus der es keine Erlösung gab. Dort hätten sie zwar keinen Schmerz zu ertragen, aber es war ihnen auch auf ewig verwehrt Gott zu schauen und der Erlösung teilhaftig zu werden.

Doch die Zukunft dieses kleinen Burschen sollte eine glänzende werden und noch heute ist sein Name in aller Munde! Zuerst aber erhielt er eine hervorragende Ausbildung, erst an der angesehenen Volksschule St. Anna, dann am Akademischen Gymnasium und im Schottenstift. Mit 19 immatrikulierte er sich an der Universität, er sollte auf Wunsch des Vaters wie dieser Jurist werden.

Doch dem Burschen stand der Sinn nach einem ganz anderen Berufsweg und schon zwei Jahre bevor er einen Tag nach seinem 17. Geburtstag, am 8. Dezember 1818 in Händels Oratorium "Timotheus" debütiert! Sein Jusstudium brach er dementsprechend auch bereits nach zwei Jahren wieder ab und konnte schon als 21-Jähriger den Part des Sarastro in Mozarts Zauberflöte im Kärntnertortheater geben. Er fiel dabei positiv auf und bekam einen Vertrag für zwei Jahre an der Kaiserlichen Hofoper. Danach wurde er ans Deutsche Theater in Amsterdam engagiert, wo er auch Sprechrollen übernahm – und sein erstes Stück schrieb. Von Amsterdam verschlug es unseren jungen Johann Nepomuk Eduard Ambrosius nach Brünn und von dort nach Graz. Später wurde er vom berühmten Carl Carl ans Theater an der Wien und etwas später ans Leopoldstädter Theater geholt. Zu dieser Zeit hatte er sich bereits ganz den – vor allem komischen – Sprechrollen verschrieben und wurde von Direktor Carl auch bereits als Autor angestellt, mit der Verpflichtung auf zwei neue Stücke jährlich!

1854 übernahm er dann das Carl-Theater, das vormalige Leopoldstädter Theater selbst in der Position des Direktors, die er bis 1860 bekleidete, ehe er sich nach Graz zurückzog, wo er zwei Jahre später im Alter von 61 Jahren starb.

Uns ist dieser vielseitige Johann Nepomuk Eduard Ambrosius heute vor allem als Autor noch immer oft gespielter Stücke wie „Der Talismann“, „Einen Jux will er sich machen“ oder „Freiheit in Krähwinkel“ bekannt. Doch die bekannten Stücke bilden nur einen winzigen Teil seines Œuvres, das allein mehr als 80 Stücke umfasste!

Dieser mit vollem Namen Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy genannte Künstler war aber nicht nur ein begnadeter Komiker und produktiver Autor, er war auch ein kritischer Geist, der in der biedermeierlich-beengten Welt des Vormärz oftmals auch mit den Obrigkeiten in Konflikt geriet. Mal wurde er wegen „Extemporierens“ - also verbotenem Abweichen von dem von der Zensur freigegebenen Text- zu fünf Tagen Arrest verurteilt, einmal musste er einen Tag einsitzen, da er als Protest gegen die immer kleiner werdenden Semmeln (bei gleichen Preisen) auf der Bühne Knöpfe eben in Form von Semmeln getragen hatte. Er verstand es eben meisterhaft der Gesellschaft einen zwar humorvollen, aber dennoch messerscharfen Spiegel vorzuhalten. Es ist wohl auch diese seltene Begabung die seine heute 200 Jahre alten Stücke noch immer zeitgemäß und aktuell machen – denn die menschlichen Schwächen, die Kleinbürgerlichkeit und die Scheinheiligkeit sind menschliche Eigenschaften, die heute leider noch ebenso blühen wie zu Zeiten Nestroys!

 

 

 

Quellen und Infos:

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Br%C3%A4unerstra%C3%9Fe_3#tab=Konskriptionsnummern

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Nestroy

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Nestroy

https://de.wikipedia.org/wiki/Kindersterblichkeit#Historische_Entwicklung

https://www.gabrielepossanner.eu/ungetauft-verstorbene-kinder-in-der-fruhen-neuzeit/

https://reader.digitale-sammlungen.de//resolve/display/bsb10524897.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Limbus_(Theologie)

https://www.nestroy.at/neu/