Ein Ballon – vom Winde verweht

Als am 9. März 1791 ein Luftschiff – also ein Ballon – über dem Prater abstürzte war die Geschichte der Luftfahrt noch ausgesprochen jung. In den 1780er Jahren hatten in Frankreich die Gebrüder Montgolfier begonnen mit Ballonen zu experimentieren. 1783 ließen sie erstmals vor Publikum einen mit Papier ausgekleideten, riesigen kugelförmigen Leinensack mit Hilfe heißer Luft aufsteigen. Parallel dazu machten andere Pioniere der Luftfahrt ebenfalls erfolgreiche Versuche mit Wasserstoff gefüllten Ballonen. Der Ballon der Montgolfiers wurde ein voller Erfolg, der rund zwölf Meter messende und 250 Kilo schwere Ballon erhob sich in die Lüfte und legte in zehn Minuten an die zwei Kilometer zurück. Im Herbst des selben Jahres wurde der Versuch der Brüder Montgolfier auch vor dem französischen König gezeigt. Der Ballon war nun aber prächtig bunt bemalt worden und man hatte einen Korb daran befestigt, in den ein Schaf, ein Hahn und eine Ente gesetzt wurden. Der Versuch gelang, der Ballon flog drei Kilometer weit und landete im Wald, was die unfreiwilligen Passagiere gut verkrafteten. (Scott, S. 106f.)

Nun war es nur mehr ein kleiner Schritt zur bemannten Luftfahrt! Schon im November 1783 erhoben sich zwei mutige Pioniere in einem von den Montgolfiers entworfenen Ballon in der Nähe von Paris erfolgreich in die Lüfte. (Scott, S. 106.) Das Ballonfieber griff nun in ganz Europa um sich wie ein Lauffeuer und erfasste freilich auch Wien.

Schon Ende 1783 gab es erste Versuche des Grazers Alois Beckh von Widmanstätter, der im geschlossenen Raum „Luftbälle“ aufsteigen ließ. Im Jänner darauf folgte auf der Wieden ein erster unbemannter Ballonaufstieg in Wien. Die Versuche begeisterten offenbar und wurden so lange wiederholt, bis die Niederösterreichische Landesregierung ein Verbot des Aufsteigens der sogenannten "Aerostatischen Luftkugeln" zwischen den Häusern erließ. (Geschichtewiki/Ballonfahrten).

Der erste bemannte Ballonaufstieg in Wien glückte schließlich dem umtriebigen Kunstfeuerwerker Johann Georg Stuwer auf der Feuerwerkswiese im Prater, nachdem zuvor der in der Wienerzeitung mehrmals groß angekündigte Ballonaufstieg des „Englischen Reiters“ Charles Hyam  mit einem Ballon mit pferdeförmiger Gondel polizeilich untersagt worden war. (Pemmer/Lackner S. 121; Geschichtewiki/Ballonfahrten). Stuwer unternimmt im Juni erst einen Versuch, der von der K.K. Polizeyoberdirketion und hohen Standespersonen aufmerksam beobachtet wurde. Die Wiener Zeitung berichtet ausführlich über den Versuch der neuartigen Aerostatischen Maschine, der Stuwer eine neue Form, nämlich die eines liegenden Zylinders gegeben hatte. Dieser Ballon soll die bis dahin größte Last von 2600 Wiener Pfunden, was immerhin rund 1,4 Tonnen entspräche, getragen haben. (Wiener Zeitung, 26. Juni 1784) Im Sommer folgten dann weitere, diesmal öffentliche Aufstiege von Stuwers Ballon, die jeweils von seinem Sohn geflogen wurden. Beim letzten Versuch wurde aus dem Fesselballon unfreiwillig ein Freiballon, denn das Seil riss und das Luftschiff flog über die Donau Richtung Norden und landete am nördlichen Ufer. Die Passagiere blieben aber unverletzt und eilten in den Prater zurück. (Pemmer/Lackner S. 121).

Die erste tatsächliche Freifahrt in Wien sollte nun eben im Frühling des Jahres 1791 stattfinden. Jean-Pierre Blanchard, der ihn durchführen wollte, war eine Berühmtheit in Sachen Ballonfahrt. Er hatte als er nach Wien kam bereits 37 erfolgreiche „Luftreisen“ absolviert und sogar den Ärmelkanal überflogen und wollte nun in Wien ebenfalls für Furore sorgen. (Pemmer/Lackner S. 122; Geschichtewiki/Blanchard) Doch das Glück war ihm alles andere als hold. Insgesamt zwei Fehlversuche führten in Wien zu einem veritablen Skandal und der verunfallte Ballonfahrer Blanchard musste sogar von den Behörden vor dem wütenden Publikum in Schutz genommen werden. (Pemmer/Lackner S. 122) Nachdem er den Ballon auf der Mehlgrube (heute Neuer Markt) ausgestellt hatte, sollte der Ballon am 9. März 1791 auf dem Feuerwerksplatz im Prater steigen. Doch das Wetter machte ihm einen Strich durch die Rechnung und der Ballon zerriss.

Der missglückte Versuch allerdings war offenbar in Wien bei weitem nicht das alleinige Gesprächsthema. Denn schon drei Tage nach dem Absturz des Ballons ließ Johann Georg Stuwer in die Wiener Zeitung eine Rechtfertigung setzen. Denn offenbar war es dem Publikum sauer aufgestoßen, dass man bei der Vorführung nicht die von Stuwer auf dem Feuerwerksplatz gut eingerichtete Infrastruktur nutzen konnte, sondern sich auch Standespersonen das Spektakel nur unter freiem Himmel und in ihren Wagen sitzend betrachten konnten. Im Anzeigenteil des Blattes, zwischen einer Werbung für eine ausführliche Beschreibung von Blanchards bisherigen erfolgreichen Ballonfahrten und einem Inserat der Kleinmayerischen Buchhandlung, findet sich Stuwers Verteidigung:

 

Da die fast allgemeine Sage, daß dem ärostatsichen Versuch des Herrn Blanchard die allerhöchsten und hohen Herrschaften unter freyen Himmel, und auf dem Wagen beyzuwohnen bemüssiget waren, die Schuld mir Endsunterzeichneten ganz allein aus der Ursache zumuthen will, weil ich für meine Gallerie, Kaffehütten und übrige Erfordernissen einen ungemein hohen Preis verlanget haben soll, andurch aber meinen noch immer gegen meine Mitmenschen behaupten billigen Betragen zu nahe getretten; und die bisher erworbene Achtung eines hohen und verehrungswürdigen Publicums geschmälert werden will, so finde ich mich aufgefordert, wieder diese Sage öffentlich zu protestieren, und solche als grundfalsch, und erdichtet zu erklären, indem ich mit Ehre versichern kann, daß zwischen Herrn Blanchard, und mir, von Darleihung meiner Gallerie niemals die Rede war, folglich auch die mir angedichtete übermäßige Anforderung nie habe Platz greiffen können, vielmehr hat sich Herr Blanchard vier Täge vor seinem Versuch gegen mich dahin geäussert, daß er gerne von meiner Gallerie profitiert hätte, wenn ihm das hohe Feuerwerksgerüst nicht andurch zu nahe käme, und bey entgegengesetzten Winde in dem Aufsteigen gefährlich wäre. Der nunmehr in Wien wohnende Herr Enslern hat sich zweimal bey seinen aerostatischen Versuchen mit Figuren meiner Gallerie bedienet, und ich schmeichle mir von seiner Seite das Zeugnis aller Billigkeit, so, wie ein gleiches Herr Blanchard selbst mir wird nicht versagen können, da ich demselben meine Kaffehütten, und übrige Erfordernisse ohne mindester Forderung unentgeldlich überlassen habe.

Johann Georg Stuwer,

priv. Kunst= und Lustfeuerwerker.

 

Die Begeisterung der Wiener für die Luftfahrt war aber weder durch den einen, noch durch den anderen Skandal zu bremsen. Schon wenige Monate später, am 6. Juli 1791, gelang Blanchard der Versuch. (Pemmer/Lackner S. 122)

 

Bildnachweis:

Johann Hieronymus Löschenkohl (Verlag), Blanchards missglückter Flugversuch am 9. März 1791, 1791, Sammlung Wien Museum, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/313379/)

 

Quellen und Infos:

 

Hans Pemmer/Nini Lackner, Der Prater. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wien/München 1974.

Arthur F. Scott, Die Erfindung des Ballons und die Begründung der Chemie. In: Spektrum der Wissenschaft 3/1984.

Wiener Zeitung Nr. 21, 12. März 1784.

Wiener Zeitung Nr. 51, 26. Juni 1784.

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Ballonfahrten

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Hyam

https://de.wikipedia.org/wiki/Gebr%C3%BCder_Montgolfier#

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Jean-Pierre_Blanchard

https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/313379-blanchards-missglueckter-flugversuch-am-9-maerz-1791/