Eine Fälschung wird amtlich

Rudolf IV trägt in Österreich den klingenden Beinamen „der Stifter“ – dies tut er obwohl der Name auf einer irrigen Interpretation einer Übersetzung beruht - mit einigem Recht, gingen von ihm doch der Ausbau des Stephansdoms mit der Erhebung zur Kollegiatskirche und die Gründung der Wiener Universität aus. Genauso gut könnte Rudolf aber auch „der Fälscher“ genannt werden – denn er verantwortete eine der dreistesten Fälschungen des an falschen Urkunden beileibe nicht armen Mittelalters : das Privilegium Maius!

Die Praxis, Urkunden komplett zu fälschen oder zumindest zu verfälschen, war im Mittelalter durchaus gängig. Rund die Hälfte aller aus dem Frühmittelalter überlieferten Dokumente sind zumindest teilweise falsch. Das diesbezügliche Unrechtsbewusstsein schien dabei nicht sonderlich ausgeprägt gewesen zu sein, vielmehr wurde in den neu geschaffenen Urkunden nur das dokumentiert, was man selbst als sein subjektives Recht empfand.

Ähnlich scheint es sich auch mit Rudolfs Privilegium Maius zu verhalten. Die Schaffung der unter diesem Namen bekannten Urkunden war wohl eine Reaktion auf etwas, das er als Unrecht empfand. Denn 1356 hatte Karl IV in der Goldenen Bulle die herausragende Stellung der Kurfürsten reichsrechtlich festgeschrieben. Das Haus Habsburg – und damit Rudolf – war aber bei der Vergabe der Kurfürstenwürden leer ausgegangen. Rudolf fühlte sich wohl zurückgesetzt, zumal er ein junger Mann von ausgeprägtem Selbstbewusstsein gewesen zu sein scheint. Schon über den 14-Jährigen etwa berichten die Chronisten, er habe sich wie ein „Rex Romanorum“ geriert. Als nun sein Schwiegervater Karl IV ihn überging, scheint ihm das gehörig gegen den Strich gegangen zu sein obwohl dieser ihm zuvor durchaus seine Gunst bewiesen hatte, etwa durch die Verleihung der Reichsvogtei im Elsaß.

Im Winter 1358/59 - wenige Monate nachdem er nach dem Tod seines Vaters Albrecht II die Herrschaft in den Österreichischen Ländern übernommen hatte – produzierte seine Kanzlei den Fälschungskomplex, den wir als Privilegium Maius kennen. In insgesamt fünf Urkunden verleihen die verschiedensten Herrscher der Vergangenheit, darunter niemand geringerer Caesar und Nero, dem Haus Habsburg die phantastischsten Privilegien.

Der Kaiser war über die Anmaßung des jungen Mannes – Rudolf war gerade 19 Jahre alt – natürlich not amused. Unter Androhung militärischer Gewalt verlangte er, Rudolf solle die erdachten Titel ablegen und die angemaßten Siegel zerstören. Was folgte war ein zähes Ringen um die Stellung des Haues Habsburg. Rudolf starb jedoch schon wenige Jahre später mit nur 26 Jahren und sein „Meisterwerk“ geriet damit beinahe in Vergessenheit. Fast 100 Jahre schlummerte es in den habsburgischen Hausarchiven, ehe Rudolfs Großneffe Kaiser Friedrich III es nicht nur aus den Archiven hervorholte, sondern es letztlich sogar zu geltendem Reichsrecht machte.

Dies geschah allerdings nicht auf einmal – sondern quasi auf Raten, was für Friedrich III fast als typisch gelten könnte. Denn Rudolf IV und sein Großneffe waren in ihren Persönlichkeiten beinahe Gegenpole. War Rudolf entschlusskräftig und kühn galt Friedrich eher als zaudernd und abwartend. Doch verband die beiden so unterschiedlichen Charaktere doch der Wunsch nach mehr Geltung des Hauses Habsburg. So bestätigte Friedrich das Privilegium Maius 1442, erstmals kurz nach seiner Krönung zum Römisch-Deutschen König und ein zweites Mal am 6. Jänner 1453, wenige Monate nach seiner Kaiserkrönung in Rom.

Dieser Bestätigungsvorgang wurde regelrecht zelebriert und fand vor wichtigen Zeugen statt - darunter niemand geringerer als Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. Es ist ein herausragendes Schriftstück mit einer eindrucksvollen Goldbulle auf der die später so berühmte Buchstabenfolge AEIOU zum ersten Male in Erscheinung tritt, mit dem Friedrich nicht nur die von Rudolf erdachten Privilegien bestätigt, sondern diese sogar noch erweiterte. Allerdings schränkte Friedrich die Rechte auf einen Zweig der Familie Habsburg – nämlich den innerösterreichischen, dem natürlich er selbst entstammt – ein! Erst später, wird er die Rechte und Privilegien auch auf andere Familienmitglieder ausdehnen.

Rudolfs Fälschung sollte damit also durchaus Nachhaltigkeit erlangen – denn durch diese nachträgliche Bestätigung am 6. Jänner 1453 durch den nunmehrigen Kaiser Friedrich III wurden die Bestimmungen des Privilegium Maius zum Reichsrecht und behielten ihre Gültigkeit bis zum Ende dieses Reiches im Jahre 1806.

 

Quellen und weitere Infos:

 

Sabine Haag (Hrsg.), Falsche Tatsachen, Technologische Studien Band 13. Das Privilegium Maius und seine Geschichte, Wien 2018.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Gerhard Hartmann/Karl Schnith /(Hrsg.), Die Kaiser. 1.200 Jahre europäische Geschichte, Wiesbaden 2014.

https://de.wikipedia.org/wiki/Privilegium_Maius