Im Schatten Prandtauers

St. Pölten gilt als die Prandtauerstadt schlechthin – und das sicherlich auch zurecht. Doch mit dem gleichen Recht könnte man die niederösterreichische Landeshauptstadt auch als Munggenast-Stadt bezeichnen. Denn Joseph Munggenast schuf ein Gutteil der barocken Profanbauten die noch heute das Erscheinungsbild der Stadt prägen - und doch steht er noch heute in der öffentlichen Wahrnehmung oft im Schatten Prandtauers, mit dem er prägende Jahre seines Schaffens eng zusammengearbeitet hatte!

Joseph Munggenast wurde am 5. März 1680 in Schnann am Arlberg geboren. In Tirol erlernte er auch das Baugewerbe von der Pike auf bei den örtlichen Maurern und Bauhandwerkern. (Feuchtmüller, S. 592.) Sein Weg von den Tiroler Bergen in die Nähe der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt hängt eng mit dem Jakob Prandtauers zusammen.

Mit ihm war Joseph Munggenast verwandt. Sein Vater, Severin Munggenast, war ein Cousin Jakob Prandtauers gewesen. Severins Großmutter Katarina und Jakobs Vater Simon waren Geschwister. (Karl/Pulle/Weigl, S. 16.) Möglicherweise kam die Zusammenarbeit der beiden aber nicht durch diese verwandtschaftliche Verbindung, sondern durch einen anderen namhaften Architekten des Barock, Christian Alexander Oedtl, zustande. Prandtauer nämlich verdankte es Oedtl, der übrigens ebenfalls gebürtiger Tiroler war, dass er den Auftrag für die Fertigstellung des Palais Questenberg in Wien erhalten hatte. Bei diesem Bauwerk wird in den Quellen ein Polier namens Josef erwähnt, der möglicherweise mit dem jungen Munggenast identisch sein könnte. (Karl/Pulle/Weigl, S. 63.)

Fest steht aber jedenfalls, dass die Arbeit Munggenasts von Anfang an eng mit Prandtauer verbunden war. Der tüchtige junge Handwerker wird etwa 1712 zum Polier Prandtauers bei der Errichtung der Wallfahrtskirche Sonntagberg ernannt. (Feuchtmüller, S. 592.) Fünf Jahre später scheint Joseph Munggenast bereits gut etabliert zu sein. Er kauft das Haus in der Domgasse 8 in St. Pölten, in dessen 1901 errichtetem Nachfolgebau (Kunsttopographie, S. 124) sich heute die Café-Konditorei Pusch befindet und der Stadtrat verlieh ihm im gleichen Jahr Bürger- und Meisterrecht (Feuchtmüller, S. 592).

In der Folge übernahm Munggenast immer mehr und immer wichtigere Aufträge von Prandtauer, etwa die Bauleitung im Augustiner-Chorherrnstift Dürnstein oder im Stift Herzogenburg. 1730 wurde er auch der Nachfolger des 1726 verstorbenen Prandtauer als Melker Stiftsbaumeister.

Neben diesen prestigeträchtigen Projekten baute Joseph Munggenast aber auch viel in St. Pölten. Auch hier arbeitete er in der Nachfolge seines Onkels am Chorherrnstift weiter. Wichtig für seine künstlerische Weiterentwicklung wurde auch die Zusammenarbeit mit Matthias Steinl, der nicht nur Architekt, sondern auch Bildhauer und Kaiserlicher Kammerbeinstecher, also der Kaiserliche Elfenbeinschnitzer war und Munggenast viel Empfinden für dekorative Elemente weitergab. (Feuchtmüller S. 592.)

Joseph Munggenast hatte zweifellos viel von Prandtauer gelernt und sich in vielem auch an ihm orientiert. Doch dass er lediglich ein Nachahmer gewesen sei, lässt sich leicht widerlegen. Seine Werke sprechen durchaus eine eigene Sprache. Seine Entwürfe sind dekorativer als die eher strengen seines Großonkels.(Feuchtmüller S. 592.) Zu den typischen Elementen seiner Fassadengestaltungen zählen unter anderem die Nachahmung textilen Schmucks, wie aus Bändern (Feuchtmüller S. 592.) oder die „Glöckchenquasten“, die zwar nicht seine Erfindung sind, aber quasi zu seinem Markenzeichen wurden (Karl/Pulle/Weigl, S. 64.). Munggenasts Formensprache weist damit aus dem Barock bereits ins beginnende Rokoko.

Die typischen „Glöckchen“ finden wir etwa auch auf einem der sicher prägnantesten Bauwerke St. Pöltens, die heute die Handschrift Joseph Munggenasts tragen – dem St. Pöltner Rathaus. Wie bei vielen anderen Gebäuden in St. Pölten auch, handelte es sich hier aber nicht um einen Neubau, sondern lediglich um einen Umbau weit älterer Bauwerke. Das Rathaus etwa besteht in seinen Grundfesten aus gotischen Bürgerhäusern die 1503 durch den Rat der Stadt erworben und zum Rathaus umfunktioniert und später laufend erweitert wurden. Der Turm wurde Ende des 16. Jahrhunderts errichtet. 1727 erhielt die Fassade durch Joseph Munggenast ihr barockes Gesicht. (Kunsttopographie, S. 196f.)

Ein im wahrsten Sinne des Wortes bewegtes Schicksal erlebte das von Joseph Munggenast errichtete Bischofstor. Ursprünglich schloss es bündig mit dem Haus Hofstatt 1 ab, doch im Zuge der Errichtung der Bezirkshauptmannschaft im Jahr 1908 wurde es abgetragen und an der heutigen Stelle wieder aufgebaut. (Kunsttopographie S. 59.)

Aber auch zahlreiche Gebäude, die ursprünglich Prandtauer zugeschrieben wurden, etwa das Bürgerhaus in der Rathausgasse 2, dürften wohl eher auf Munggenast zurückgehen. Denn hier sind zwar für Prandtauer typische Elemente zu finden, aber eher in einer Interpretation, die auf eine Arbeit seines Groß-Neffen schließen lässt. Es ist also anzunehmen, dass das um 1600 errichtete Gebäude im Besitz des Trautsonschen Gutsverwalters Bernhard Leopold Rauch um 1730/35 von Joseph Munggenast mit einer neuen Fassade versehen wurde. (Kunsttopographie, S. 189.)

Ein weiteres Gebäude, an dem Joseph Munggenast aber nicht nur die Fassade erneuerte, sondern einen umfassenden Umbau vornahm, ist das Bürgerhaus in der Wienerstraße 36. Der Arzt Paul Plöckner, damaliger Eigentümer des Gebäudes, suchte 1724 um die Genehmigung zu dem Umbau an. Er ließ das ursprünglich zweigeschossige Gebäude aufstocken und die Fassade erneuern. (Kunsttopographie S. 247.) Zu den Bauwerken, die heute Joseph Munggenast zugeschrieben werden gehören aber auch das Palais Montecuccoli am Rathausplatz, das Palais am Riemerplatz 1, die Löwen-Apotheke an der Ecke Wienerstraße/Kremsergasse oder das Bürgerhaus Wiener Straße 4. (Karl/Pulle/Weigl, S. 64ff.)

Joseph Munggenast starb nach einem schaffensreichen Leben, in dem er St. Pölten bis heute seinen Stempel aufgedrückt hat, im Mai 1741 in St. Pölten, wo er auf dem Friedhof am Domplatz beigesetzt wurde. Nur 38 Jahre danach wurde dieser Friedhof aufgelassen.

 

 

Quellen und Infos:

 

Rupert Feuchtmüller, Joseph Munggenast. In: Neue Deutsche Biographie Bd. 18, Berlin 1997, S. 592 f.

Thomas Karl/Thomas Pulle/Huberta Weigl, Jakob Prandtauer. Der Profanbaumeister, St. Pölten 2010.

Österreichische Kunsttopographie, Band LIV, Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten und ihrer eingemeindeten Ortschaften, Horn 1999.

https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Munggenast

https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Prandtauer

https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Alexander_Oedtl

https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Steinl