Bürgermeister lebten einst gefährlich

Das Haus Habsburg war jahrhundertelang nicht eben eine harmonische Familie. Bruderzwist und Nachfolgestreitigkeiten dominierten immer wieder die Familien- wie auch die Landespolitik und wurden zum Teil nicht eben mit zimperlichen Mitteln ausgefochten. Außenstehende, die zwischen die Fronten gerieten, konnten in einem solchen Machtkampf daher leicht unter die Räder geraten.

Einer, dem seine Parteinahme in einem solchen Thronstreit teuer zu stehen kam, war der Wiener Bürgermeister Wolfgang Holzer. Er wurde im Frühling des Jahres 1463 – wahrscheinlich am 15. April - auf dem Platz Am Hof grausam hingerichtet. Doch Holzer war keineswegs nur unschuldiges Opfer sondern durchaus auch selbst Täter, schließlich hatte er aus dem Bruderzwist auch seine persönlichen Vorteile gezogen.

Die Vorgeschichte begann wie so oft in der Geschichte der Habsburger mit dem bangen Warten auf einen Thronfolger. König Albrecht II (*1397 +1439) erlebte die Geburt seines Sohnes Ladislaus nicht. Sein Sohn wurde erst knapp vier Monate nach dem Tod des Vaters geboren. Dieser später deshalb Ladislaus Postumus (der Nachgeborene) genannte Knabe wurde unter die Vormundschaft seiner Mutter Elisabeth und seines Onkels Friedrich III gestellt, der nur wenige Wochen zuvor zum römisch-deutschen König gewählt worden war und der trotz seiner erst 25 Jahre bereits die Rolle des Seniors des Hauses Habsburg bekleidete. Elisabeth übertrug allerdings diese Vormundschaft an Friedrichs jüngeren Bruder Albrecht VI, worin wohl der Grundstein für die folgenden Streitigkeiten zu suchen sein dürfte. (Csendes/Oppl S. 154.)

In den nächsten Jahren spitzte sich der Konflikt immer mehr zu. Ladislaus war Landesfürst in den Österreichischen Ländern, doch sein Vormund Friedrich III übte die Herrschaft aus – allerdings nicht zur Zufriedenheit seiner Landeskinder. Führende Vertreter der Stände schlossen sich zusammen und wollten Ladislaus daher aus der Vormundschaft befreien, was Friedrich damit verhinderte, dass er den nun 12-jährigen Buben mit zur Krönung nach Rom nahm, was die Stände erst recht empörte. Eine Auflehnung gegen den nun zum Kaiser gekrönten Friedrich III und erste Kriegshandlungen gegen kaiserliche Besitzungen waren die Folge. Friedrich war gezwungen Ladislaus herauszugeben und der junge Fürst konnte 1452 als Landesherr seinen feierlichen Einzug in Wien halten.

Die Wiener Bürger waren an all dem maßgeblich beteiligt. 4.000 von ihnen sollen bei dem Heer gewesen sein, das vor Wiener Neustadt stand und den Kaiser zur Herausgabe seines Mündels nötigte und der Wiener Bürgermeister Reicholf, einer der Vorgänger Wolfgang Holzers, war für die Stadt dem Bund der Stände beigetreten. Im Zusammenhang mit der Inthronisierung des jungen Ladislaus tat sich auch Holzer erstmals maßgeblich hervor und wurde für sein Engagement auch mit dem Amt des Münzmeisters belohnt. (Csendes/Oppl S. 155f.)

Rund um den jungen Fürsten standen nun einige einflussreiche Männer, die aber nicht eben uneigennützig handelten. Ihre internen Machtstreitigkeiten sollten für die Wiener Bürgerschaft und die Entwicklung der kommenden Jahre entscheidend sein. Vor allem der reiche aber auch skrupellose Graf Ulrich von Cilli, der die Regierungsgeschäfte führte und Ulrich von Eyczing, der Hubmeister von Ladislaus Vater König Albrecht gewesen war, gerieten nun aneinander. Denn Eyczing verdrängte Cilli für kurze Zeit von der Macht, diesem gelang es aber, zurückzukehren und seine alte Position zurückzuerobern. (Csendes/Oppl S. 156) Für Wolfgang Holzer war die Sache verheerend, denn er wurde nun von Cilli als Anhänger Eyczings in den Kerker geworfen gefoltert und zog sich nach seiner Entlassung nach Pressburg zurück. (Czeike S. 113)

Ulrich von Cilli kam allerdings kurze Zeit später ums Leben. Er hatte einmal mehr hoch um die Macht – diesmal in Ungarn – gepokert und dabei alles verloren. Er wurde von Ladislaus Hunyady, dem älteren Bruder von Matthias Corvinus der wenige Jahre später die Macht in Wien an sich reißen sollte, ermordet. (Czeike Lexikon, S. 576f.) Nun war der Weg für Ulrich von Eyczing frei.

Doch nun überschlugen sich die Ereignisse, denn im November 1457 starb völlig unerwartet der junge König Ladislaus. Die albertinische Linie war damit erloschen und zwischen Kaiser Friedrich III und seinem Bruder Albrecht brach der Kampf um die Macht offen aus. Die Wiener Bürger verhielten sich im Moment aber neutral um nicht erneut zwischen die Fronten zu geraten. (Csendes/Oppl S. 157)

Eine neuerliche Eskalation des Bruderzwists zwischen Friedrich und Albrecht brachte das Jahr 1461. Viele im Land waren unzufrieden mit dem eher passiven Kaiser und so gelang es Albrecht, eine Allianz aus namhaften Adeligen zustande zu bringen, die Kaiser Friedrich III die Fehde erklärten. In der Zwischenzeit war auch in Wien die Lage wieder prekär geworden. Die Familie des Kaisers – die Kaiserin Eleonore mit den Kindern Maximilian und Kunigunde – logierte in der Hofburg und die Wiener sandten Hilferufe an den Kaiser, dass sie die Sicherheit der allerhöchsten Herrschaften nicht länger garantieren könnten. In der Folge gab es mehrmals Versuche Albrechts, die Stadt einzunehmen. Die Wiener Obrigkeit blieb während dieser Auseinandersetzung dem Kaiser treu ergeben, doch die Bevölkerung sympathisierte eher mit den Ständen. (Csendes/Oppl S. 59ff.)

Die Eskalation brachte – wie es in Wien wohl häufiger vorgekommen ist – der Wein! Doch diesmal nicht eines Besäufnisses wegen, sondern weil der Rat einer Frau von Hundsheim gestattete, ungarische Weine nach Wien einzuführen, was dem geltenden Recht widersprach und die Wiener, die auch wirtschaftlich viel auf ihren eigenen Wein hielten, waren empört. Das Rathaus wurde gestürmt, die Räte wurden festgenommen. Nun war die Stunde des Wolfgang Holzer gekommen, da zwei andere Kandidaten ablehnten, übernahm er nun das Amt des Bürgermeisters der Stadt Wien. Kaiser Friedrich sah sich nun einem ihm feindlich gesonnenen Wiener Rat gegenüber, doch er wollte retten, was zu retten war und kam aus Wiener Neustadt nach Wien, um hier einen neuen Bürgermeister und neuen Rat wählen zu lassen. Sebastian Ziegelhauser wurde unter dem Druck des Kaisers gewählt, doch diese Wahl löste einen Sturm der Empörung aus, verstieß sie doch gegen geltendes Recht. Wenige Tage danach wurden Wolfgang Holzer und seine Räte erneut gewählt und leisteten dem Kaiser ihren Eid. Dieser musste daraufhin seine Niederlage – und Bürgermeister Holzer – anerkennen. (Csendes/Oppl S. 162f.)

Es war mittlerweile Herbst geworden und die Weinlese stand bevor. Die Wiener waren daher in Sorge, da im Umland noch immer die Söldnerscharen aus dem bewaffneten Bruderzwist umherstreiften und für einige Verwüstung sorgten. Als die Stadt den Kaiser um Hilfe bat, verlangte der im Gegenzug allerdings ein Darlehen, was einmal mehr für Entrüstung in der Stadt sorgte, hatte er als Landesfürst doch die Pflicht, die Seinen zu beschützen. Man kündigte dem Kaiser also die Treue auf. Wolfgang Holzer ließ als Bürgermeister die landesfürstlichen Einnahmen der Stadt beschlagnahmen.  Anhänger des Kaisers wurden gefangen genommen, ihre Häuser geplündert. Bürgermeister Holzer blieb dabei nicht uneigennützig, er bereicherte sich auch persönlich. Die Streitigkeiten eskalierten immer weiter, bis der Kaiser, der das angebotene freie Geleit ausschlug, schließlich für mehrere Wochen in der Hofburg belagert wurde. (Csendes/Oppl 163ff.)

Im Dezember gab es Friedensverhandlungen in Korneuburg bei denen der Kaiser sich zwar vertreten ließ, sein Bruder Albrecht und Bürgermeister Holzer aber persönlich teilnahmen. Für Holzer entwickelte sich die Sache nun ungünstig. Denn die breite Zustimmung, die er in Wien erhalten hatte, war nicht zuletzt darin begründet, dass sich viele so wie er selbst an den Besitztümern des Kaisers und dessen Anhängern bereichert hatten. Nun sah das Friedensabkommen neben einer Regelung über die Regierung der Österreichischen Länder aber auch vor, dass alle entfremdeten Güter zurückgegeben werden müssten. Doch Holzers Einwände blieben ungehört und Herzog Albrecht, der nun die Regierung übernehmen sollte, verkündete feierlich das Ergebnis der Verhandlungen. Holzers Verzögerungstaktik ging nicht auf. Trotzdem ließ er allerdings wenige Tage später erneut die Häuser der kaiserlichen Anhänger plündern und rechtfertigte sich vor Albrecht damit, dass der Friedensschluss mit dem Kaiser ja noch gar nicht in Kraft getreten sei.  (Csendes Oppl S. 164ff.)

Holzers Tat blieb aber vorerst ohne Konsequenzen. Ende Dezember empfing Albrecht die Huldigungen der Wiener, Holzer und seine Räte waren für das kommende Jahr 1463 bereits gewählt. Doch zwischen Bürgermeister Wolfgang Holzer und dem nunmehrigen Landesherrn Erzherzog Albrecht tat sich eine immer weitere Kluft auf. Die Seite des Kaisers wusste das zu nutzen und machte Holzer Versprechungen. Gleichzeitig stand auch Holzers Rat nicht geschlossen hinter ihm. Einige der Räte standen auf Seiten des Erzherzogs Albrecht und versorgten diesen folglich mit Informationen über Holzers Machenschaften, was das Misstrauen Albrechts gegenüber dem Bürgermeister freilich immer stärker werden ließ. (Csendes/Oppl S. 165f.)

Friedrich rüstete in der Zwischenzeit zum Wirtschaftskrieg gegen Wien. Die Stadt ging ihrer Privilegien verlustig und andere Städte wie Krems oder Stein erhielten neue Rechte. Zudem bestand der Kaiser, der auch Acht und Aberacht gegen die Stadt aussprach, auf der Rückgabe der den Seinen geraubten Güter. Nun sah Holzer erneut seine Stunde gekommen. Er wollte Wien wieder zurück in die Huld des Kaiseres führen und war sich seiner Sache ziemlich sicher. Er lud am Karfreitag des Jahres 1463 (8. April) wichtige Bürger in sein Haus – das er eben erst dem nach Wiener Neustadt geflohenen reichen Bürger Simon Pötel entwendet hatte! Nun ließ er einige festsetzen und beschuldigte sie der Spionage. Gleichzeitig behauptete er, Albrecht wolle Söldner in die Stadt bringen und diese bei den Bürgern einquartieren. Angesichts dessen, wie Söldner in jenen Tagen zu hausen pflegten, versetzte das natürlich so manchen in Angst und Schrecken. So ging Holzers Plan vorerst auf als er erklärte, er werde selbst Söldner zum Schutz in die Stadt holen. Am nächsten Morgen erschienen prompt 400 Reiter, die auf Holzers Veranlassung in die Stadt gelassen wurden und sogar vor seinem Haus – dem ehemaligen Pötel-Haus- Aufstellung nahmen. Doch Erzherzog Albrecht blieb währenddessen nicht untätig. Er rüstete seine Hofleute und die Mannschaft des Schottenviertels und zog in den Kampf. Holzers Söldner hatten mit ihren Pferden im Straßenkampf denkbar schlechte Karten und so gelang es, die meisten von ihnen gefangen zu nehmen oder zu töten. Holzer konnte vorerst flüchten. Er versuchte nun Unterstützung vom Befehlshaber der Burg auf dem Leopoldsberg zu erhalten, was dieser aber verweigerte. Holzer sah die Niederlage vorerst ein und begab sich auf die Burg Weitenegg (Nähe Melk), die Albrecht ihm einst gegeben hatte. Doch allzu lange hielt er es dort offenbar nicht aus. Er sah wohl immer noch eine Chance für sich und machte sich erneut auf den Weg zurück nach Wien – allerdings verkleidet! Doch all die Kostümierung nützte nichts – auch in der Gewandung eines Hauers wurde er erkannt und am 11. April zurück in die Stadt gebracht. Hier wartete ein grausames Strafgericht auf den ehemaligen Bürgermeister. (Csendes/Oppl S. 165ff.)

Albrecht ließ zahlreiche Anhänger des Kaisers gefangen nehmen und nun waren es deren Häuser die geplündert wurden. Man hatte die Gefangenen schwer gefoltert und barfuß zum Haus des Stadtrichters gebracht. Von dort wurden sie zur Schranne am Hohen Markt geführt. Der Söldnerführer, der im Auftrag Holzers die Stadt besetzt hatte, wurde hier enthauptet. Die Übrigen wurden auf den Platz am Hof gebracht, wo sie gevierteilt werden sollten. Dort baten sie um die Gnade, nicht gevierteilt, sondern geköpft zu werden. Dies Strafe galt einerseits als ehrenvoller und war andererseits auch humaner – soweit man davon überhaupt sprechen kann. Erzherzog Albrecht gewährte diese Gnade den meisten, allerdings nicht dem Bürgermeister Wolfgang Holzer. Dieser hatte bis zuletzt gedacht auch er sei für die Enthauptung vorgesehen, wurde jedoch am 15. April auf dem Platz Am Hof gevierteilt. Die vier Teile seines Körpers wurden außerhalb der Stadttore auf Säulen aufgepflanzt. Ein Bein kam vor das Schottentor, das andere zum Roten Turm. Sein Kopf und eine Hand wurden an einer Zinne des äußeren Tores bei St. Niklas angebracht – jenem Tor, durch das die Söldner in seinem Auftrag nur sechs Tage zuvor in die Stadt gekommen waren. (Oppl S. 192.)

 

Quellen und Infos

 

Peter Csendes/Ferdinand Oppl (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt, Band 1, Wien/Köln/Weimar 2001.

Felix Czeike, Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte, Wien/München 1974.

Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien. Band 1, Wien 1992.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wein 1988.

Ferdinand Oppl, Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien, Wien/Köln/Weimar 1995.

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wolfgang_Holzer

https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Holzer_(Politiker)