Der Anfang einer Josephsehe

Am 23. Jänner 1765 nahm eine wahrscheinlich echte Josephsehe ihren Anfang – und das nicht bloß wegen der Vornamen der Brautleute. Denn an diesem Tag traten der spätere Joseph II. und seine zweite Frau Maria Josepha von Bayern in Schönbrunn vor den Traualtar – und die Ehe der beiden wurde womöglich wirklich niemals vollzogen.

Der Begriff der Josephsehe stammt nämlich aus der theologischen Diskussion um die Jungfräulichkeit der Gottesmutter Maria. Demnach ist eine Josephsehe eine Ehe, in der Mann und Frau freiwillig in sexueller Enthaltsamkeit leben. Den Namen leitete man eben vom Heiligen Joseph als gesetzlichem aber eben nicht natürlichem Vater Jesu ab,[1] der angeblich die Ehe mit Maria auch später niemals vollzogen hätte. Zu Josephs Heiligenattributen gehört daher nicht zufällig die Lilie als Symbol der Keuschheit.[2] Das Thema stürzte die Kirche aber immer wieder in erhebliche Erklärungsnotstände. Denn einerseits war klar, dass zu einer Ehe auch die sexuelle Beziehung der Ehepartner gehört – man wollte ja schließlich die Christenheit auch nicht aussterben lassen – und ein Ausschluss von Sexualität war (und ist) sogar ein Grund für die Annullierung einer Ehe, andererseits aber ist Keuschheit natürlich aus kirchlicher Sicht das höchste Gut.[3] Zudem wäre durch eine auch vollzogene Ehe von Joseph und Maria die Lehre von der Jungfräulichkeit Mariens in Gefahr geraten. Ambrosius betont daher, dass es sich zwar um eine Ehe gehandelt hätte, diese aber eben nie geschlechtlich vollzogen worden wäre. Nur so konnte sichergestellt werden, dass weder die Freiheit von der Erbsünde noch die ewige Jungfräulichkeit der Gottesmutter in Frage gestellt wurden.[4] 

Soweit zur theologischen Problematik. Die tatsächliche Problematik für das Ehepaar Joseph und Josepha hatte allerdings ganz andere Wurzeln, da Joseph seine zweite Ehefrau nur mit äußerstem Widerwillen zur Frau genommen hatte.

Denn seine erste Ehe mit Isabella von Parma war aus Josephs Sicht ausgesprochen glücklich verlaufen – auch wenn Isabella das wohl ganz anders gesehen hatte. Der Kronprinz hatte die fast gleichaltrige bourbonische Prinzessin mit knapp 19 Jahren geheiratet. Während der drei Jahre ihrer Ehe war Isabella fünf Mal schwanger. Sie erlitt allerdings 3 Fehlgeburten, eine Tochter kam gesund zur Welt. Während der letzten Schwangerschaft erkrankte sie an den Pocken. Das Kind starb fast sofort nach der Geburt und die knapp 22-jährige Mutter verschied fünf Tage danach.[5] Joseph, der bis zuletzt an ihrem Krankenbett geblieben war, war am Boden zerstört. An seinen Bruder Leopold schrieb er: „Ich habe alles verloren.“[6]

Doch schon sehr bald nach dem tief betrauerten Tod machte man sich am Hof Gedanken über eine neuerliche Eheschließung Josephs. Vor allem Maria Theresia, die selbst sehr um die Schwiegertochter trauerte betrieb die neuen Heiratspläne energisch. Schließlich war nur eine einzige Tochter des Kronprinzen am Leben und es gab keinen Thronfolger. Sie, die selbst am eigenen Leib erlebt hatte, was es bedeutete, wenn die Erbfolge nicht zweifelsfrei geklärt war, drängte daher auf eine zweite Heirat ihres ältesten Sohnes. Für Joseph selbst war der Gedanke an eine neuerliche Heirat allerdings grausam und unerträglich.[7] Für ihn war das Andenken an Isabella, seine erste Frau so kostbar, dass es wohl kaum eine Frau geschafft hätte, ihn für sich zu gewinnen. „Wenn ich eine Frau fände, die das Herz, den Geist, die Augen, die Zähne, kurz alle Eigenschaften meiner verstorbenen Gattin besitzt, wer weiß was geschehe“, soll der unglückliche junge Witwer dazu gesagt haben.[8] Die Eltern versuchten wohl auch daher, Joseph selbst so weit wie möglich die Wahl seiner zweiten Frau zu überlassen und bestanden darauf, dass er infrage kommende Kandidatinnen selbst kennenlernen sollte.

Joseph fügte sich dem Druck, aber nicht aus Staatsräson wie er betonte, sondern allein aus „Sohnespflicht“. Er schrieb an seine Mutter Maria Theresia: „Ich will mich für euch opfern, es ist den Kummer wert, aber ich tue es nur aus Liebe zu euch.“ Die einzige Braut, von der Joseph sich vorstellen konnte, sie zu heiraten war Isabellas jüngere Schwester, die allerdings erst 14 Jahre alt und überdies bereits mit dem Sohn des spanischen Königs verlobt war. Maria Theresia, die trotz aller Staatsräson immer auch liebende Mutter war, trug dem spanischen König daher tatsächlich die Bitte vor, ob er respektive sein Sohn nicht auf Louise verzichten würden und sie gleichsam an Joseph abtreten könnten. Dieses Ansinnen wurde allerdings höflich abgelehnt.[9]

Nun wurde vor allem unter den deutschen Prinzessinnen nach einer Braut für Joseph gesucht. Zur Auswahl standen gleichsam die kursächsische Prinzessin Kunigunde und Maria Josepha von Bayern. Allerdings hörte man von beiden nicht eben das Beste. Joseph sollte sich nun eben selbst ein Bild von den beiden Prinzessinnen machen. Maria Theresia arrangierte ein zumindest vordergründig beiläufiges Treffen von Joseph und Kunigunde im böhmischen Teplitz. Der Wiener Hof setzte eigens eine Reise nach Prag an und Kunigunde machte sich unter dem Vorwand auf den Weg, ihren Bruder während einer Badekur zu besuchen. Was wie ein zufälliges Treffen wirken sollte, war natürlich für jeden auf den ersten Blick als eine „Beschau“ der möglichen Heiratskandidatin zu entlarven und folglich eine hochnotpeinliche Angelegenheit, zumal Joseph ziemlich offen zeigte, dass er an der sächsischen Prinzessin wenig Gefallen fand. Für die Mutter Maria Theresia brachte dies eine unangenehme Verstimmung des sächsischen Hofes mit sich. Trotzdem wollte sie dem Sohn aus Rücksicht auf seine Trauer weiter die Wahl lassen und arrangierte ein neuerliches „zufälliges“ Treffen, nur diesmal eben mit Maria Josepha in Straubing. Doch auch diese Kandidatin gefiel dem jungen Mann – Joseph war gerade erst 24 Jahre alt – so ganz und gar nicht. Klein und fett sei sie, zudem habe sie schlimme Zähne und das Gesicht sei ohne jugendlichen Reiz.[10] Maria Josepha war gerade einmal zwei Jahre älter als Joseph.

Von seinen „Erkundungsfahrten“ zurückgekehrt, sollte Joseph sich nun entscheiden, doch er bat die Eltern ihm diese Pflicht abzunehmen. Keine von beiden gefiel ihm auch nur annähernd und so war es ihm, der sich in sein Schicksal fügte egal, welche ungeliebte Frau man ihm zur Seite stellen wollte. Maria Theresia entschied sich aus politischen Gründen für die bayrische Prinzessin Maria Josepha. Damit, dass diese Verbindung arrangiert war und aus politischen Überlegungen heraus geschlossen wurde, war sie freilich absolut keine Ausnahme. So gut wie alle fürstlichen Ehen hatten der Staatsräson zu folgen und waren eher Staatsakte und Bündnisverträge als persönliche Verbindungen. Niemand erwartete von einer solchen Ehe überschäumende Liebe und Zuneigung. Doch das Maß der Ablehnung, das Joseph seiner zweiten Gemahlin entgegenbrachte war doch außergewöhnlich. [11]

Die Hochzeit am 23. Jänner 1765 in Schönbrunn wurde entsprechend nüchtern und geschäftsmäßig zelebriert. Nur das Notwendigste an prunkvoller Hofhaltung wurde aufgeboten, auch die Zahl der Gäste wurde klein gehalten. Lediglich der erweiterte Hofstaat und die hohen Offiziere waren zugelassen. Die kaiserliche Familie und die Mitglieder des Hofes erschienen aber trotzdem natürlich in „Großer Gala“, also den kostbarsten Festgewändern und Juwelen und auch das Schloss war sowohl innen als auch außen prachtvoll beleuchtet. Diese Illumination wirkte freilich sehr prachtvoll, fand die Trauung doch um 7 Uhr abends statt. Die Braut wurde von Maria Theresia selbst in feierlicher Zeremonie in die Große Galerie geleitet. Die Schleppe der Braut wurde von den Kammerfräulein getragen, die der Kaiserin von der Obersthofmeisterin Gräfin Aspermont-Linden. In der anschließenden, gartenseitigen Kleinen Galerie war ein Baldachin errichtet worden unter dem ein Altar und die Betschemel für die „allerhöchsten und höchsten“ Herrschaften aufgebaut worden waren. Hier fand nun die eigentliche Trauung statt. Anschließend zog man sich in die Privatgemächer zurück und um 9 Uhr abends fand endlich im großen Saal die Hochzeitstafel statt. Nach dem Essen bei feierlicher Musik zog man sich zurück. Auch in den folgenden zwei Tagen wurde noch - wenn auch sparsam - gefeiert.

Im ausführlichen Bericht des Wienerischen Diariums wird vor allem die kostbare Beleuchtung des Schlosses Schönbrunn beschrieben. Zweihunderttausend beleuchtete Glaskugeln sollen das Schloss und den Hof erleuchtet haben, dazu kamen noch kostbare Wachslichter im Gebäude selbst. Eindrucksvoll geschildert wird der Leserschaft insbesondere die technische Raffinesse der „Maschinen“ mit denen man die Lampen an der Fassade angezündet habe. Diese beweglichen Gerüste auf Rollen mit denen man zu den Lampen gelangte, waren dem Bericht zufolge 8 Klafter (15 Meter) hoch und jedes hatte eine über 6 Klafter (11,4) Meter lange Leiter. Die insgesamt 44 Maschinen waren mit jeweils 8 Mann besetzt und so konnten die vielen Lampen in nur 21 Minuten vollständig angezündet werden. Am nächsten Tag begab man sich im kleinsten Kreis nach Hietzing um in der dortigen Kirche die Messe zu hören, Mittags wurde im Schloss gemeinsam gegessen und am Abend wurde von den „jüngeren Herrschaften“ auf einer in der Großen Antecamera – dem heutigen Zeremoniensaal – eigens aufgebauten Bühne ein Singspiel gegeben. Auch das verlief sozusagen privat, nur im kleinsten Kreise des Hofes und der Familie.[12] Der Bericht des Diariums betont zwar die Prächtigkeit dieser Hochzeit – was aber nur oberflächlich darüber hinwegtäuschen kann, dass es eben sonst keine übermäßigen Feierlichkeiten gab.

Auch der weitere Verlauf der Ehe zwischen Joseph II. und Maria Josepha gab wenig Anlass zur Freude. Als erste Gerüchte über eine Schwangerschaft der jungen Königin auftauchten, soll Joseph dies höchst ironisch kommentiert haben, dass er nicht wisse, wie es dazu gekommen sein solle.[13] Josepha allerdings war zumindest am Anfang wohl nicht gewillt, die extrem lieblose Haltung ihres Gatten einfach hinzunehmen. Joseph schrieb an seine Mutter: „Es wäre mir weniger unangenehm dem Großmogul zu schreiben, denn sie gibt sich mit respektvollen Gefühlen nicht zufrieden und hat mir das schon vorgeworfen. Urteilt selbst liebe Mutter, was ich ihr schreiben soll, oder wo zum Teufel wollt Ihr, dass ich andere Gefühle hernehme?“[14]

Joseph ging immer mehr auf Abstand zu seiner Frau. Als im August die Hochzeit des jüngeren Bruders Leopold in Innsbruck anstand, blieb Josepha wegen einer angeblichen Unpässlichkeit zu Hause. Zwar gab es noch einige gemeinsame Aktivitäten, doch Joseph entzog sich der Nähe seiner Gattin durch eine ausgedehnte Reisetätigkeit. In Schönbrunn soll er sogar den gemeinsamen Balkon abgetrennt haben, um Maria Josepha möglichst wenig sehen zu müssen.[15] Maria Theresia hatte zwar Mitleid mit ihrem Sohn, da auch sie die Schwiegertochter als weder hübsch noch angenehm empfand, doch im Gegensatz zu Joseph bemühte sie sich, wenigsten den Schein zu wahren und Maria Josepha mehr in die Familie zu integrieren. Auch beklagte die Mutter die Kälte, mit der Joseph seine Frau behandelte, da sie kritisierte, dass er mit seiner offen zur Schau getragenen Ablehnung auch gegen die höfische Etikette verstieß und gegen den hoch geachteten Wert der Ehe. [16]

Das Leiden der unglücklichen jungen Kaiserin[17] am Wiener Hof dauerte allerdings nicht allzu lange. Gezeichnet von den Demütigungen, die sie erlitten hatte, erkrankte Maria Josepha im Frühling 1767 an den Pocken und starb schließlich am 28. Mai daran.[18] Obwohl auch Maria Theresia ihre Schwiegertochter wenig schätzte, umarmte sie die Erkrankte, ehe diese in ihrem Krankenzimmer eingeschlossen wurde – vielleicht wollte sie damit ein wenig davon gutmachen, was Josepha in den zwei Jahren ihrer Ehe erlitten hatte. Diese Geste kam Maria Theresia allerdings teuer zu stehen, denn sie steckte sich tatsächlich mit der gefürchteten Krankheit an, die schon so viele aus ihrer Familie dahingerafft hatte[19] – aber das ist bereits wieder eine ganz andere Geschichte!

 

Bildnachweis:

Jakob Conrad (?) Back (Zeichner), Donhäuser (Holzschneider), Hochzeitsfeierlichkeiten Josephs II. und Maria Josephas von Bayern am 23. Jänner 1765, 1765, Wien Museum Inv.-Nr. 212841, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/12790/)

 

Quellen und Infos:

 

Georg Denzler, Die verbotene Lust. 2000 Jahre Kirchliche Sexualmoral, Berlin 2013.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Rudolf Köster, Eigennamen im deutschen Wortschatz: Ein Lexikon, Berlin 2003.

Helmut Reinalter, Joseph II. Reformer auf dem Kaiserthron, München 2013.

Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München, 2017.

Otto Wimmer, Kennzeichen und Attribute der Heiligen, Innsbruck/Wien 2015.

Wienerisches Diarium Nr. 8, 26. Jänner 1765.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_II.

https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Josepha_von_Bayern

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Joseph_II.



[1] Köster, S. 83.

[2] Wimmer, S. 174.

[3] Denzler, S. 45ff.

[4] Denzler, S. 47.

[5] Hamann, S. 170ff.

[6] Reinalter, S. 74.

[7] Stollberg-Rilinger, S. 498.

[8] Reinalter, S. 76.

[9] Stollberg-Rilinger, S. 499.

[10] Stollberg-Rilinger, S. 500f.

[11] Stollberg-Rilinger, S. 501f.

[12] Wienerisches Diarium Nr. 8, 26. Jänner 1765.

[13] Reinalter, S. 77.

[14] Stollberg-Rilinger, S. 503.

[15] Reinalter, S. 77f.

[16] Stollberg-Rilinger, S. 503.

[17] Joseph wurde nach dem plötzlichen Tod des Vaters nur wenige Monate nach der Hochzeit mit Maria Josepha zum Kaiser gekrönt.

[18] Reinalter, S. 78.

[19] Stollberg-Rilinger, S. 508.