Der letzte Habsburger

Wer war der Mann, mit dem nach altem Adelsrecht das Haus Habsburg in der männlichen Linie erlosch und der als letzter Habsburger am 22. Dezember 1711 zum Römisch-Deutschen Kaiser gekrönt wurde? Das Bild, das die Geschichtsschreibung von Kaiser Karl VI zeichnet ist nicht immer eben vorteilhaft – vor allem der Vergleich mit seinem älteren Bruder, Joseph I fällt meist nicht eben schmeichelhaft für Karl aus. Zögerlich, beharrend, ja stur sei er gewesen. Auch als ernst und bedächtig wird er beschrieben, stark in zeremoniellen Zwängen gefangen und tief religiös soll er gewesen sein. Auch ein starkes Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen wird ihm attestiert.

Fest steht, dass er obgleich Römisch-Deutscher Kaiser, immer stärker mit Spanien verwurzelt blieb als mit seiner österreichischen Heimat und dem verlorenen Königreich im Süden Europas zeitlebens nachtrauerte. Karl war von seinem Vater Leopold I. als spanischer König vorgesehen. Der spanische Familienzweig der Habsburger war im Jahre 1700 ausgestorben, Karl war zu diesem Zeitpunkt gerade 15 Jahre alt gewesen. 1704 trat der die Reise gen Süden und den Kampf um sein Erbe an. Seine – wahrscheinlich prägenden - Jugendjahre verbrachte er daher in Spanien wo er zwar mit wechselhaftem Kriegsglück um sein (vermeintliches) Erbe kämpfen musste, wo er aber auch – von der väterlichen Vormundschaft befreit – nicht länger der wenig glanzvolle, stets hinter dem Bruder verblassende zweitgeborene Sohn war, sondern endlich König aus eigener Gloria. Hier war er der absolute Mittelpunkt. Vielleicht fiel es ihm auch deshalb so schwer, den Verlust des Spanischen Königtums zu verschmerzen.

Fast scheint es so, als wären für ihn die Wahl zum Kaiser und die darauffolgende Krönung nur ein Trostpreis gegen das verlorene Paradies in Spanien gewesen. Nie legte er die spanischen Titel ab, auch seine Töchter, obgleich nach dem Verlust des Königreichs geboren, trugen stets den Titel einer spanischen Infantin.

Auch auf das spanische Hofzeremoniell und dessen minutiöse Befolgung legte Karl VI größten Wert. Entgegen seinem steifen, unbedingt dem höfischen Zeremoniell untergeordneten Verhalten in der Öffentlichkeit, war er im privaten Umgang aber überraschend locker. Auch sein Umgang mit den Bediensteten soll fast leutselig gewesen sein.  Und trotz des steifen, gemessenen Auftretens in der Öffentlichkeit liebte er die Jagd und war, wie man heute sagen würde, durchaus recht sportlich.

Oft als letzter Barockkaiser – sozusagen „vom alten Schlag“ bezeichnet, war er aber doch interessiert an Wissenschaft und Kunst. Zudem war Karl ein großer Musikliebhaber und Förderer der Musik, der auch selbst komponierte. Und obgleich er in vielem an alten Traditionen festhielt, war er in manchem durchaus fortschrittlich. So war es für seine Zeit durchaus eine Besonderheit, dass er die kaiserliche Hofbibliothek, die er ab den 1720er Jahren errichten ließ ausdrücklich für den öffentlichen Gebrauch bestimmte. Auch wenn der Zutritt zu seiner Zeit noch den Gelehrten vorbehalten blieb war dies doch ein echter Fortschritt. Auch Karls merkantilistische Wirtschaftspolitik war durchaus erfolgreich.

 Kurz gesagt, der ihm oft anhaftende Ruf des etwas sauertöpfischen, steifen, schwerfälligen und wenig flexiblen Monarchen muss doch zumindest hinterfragt werden.  

 

Quellen und weitere Infos:

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Helga Peham, Maria Theresia – ganz privat, Wien 2003.

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_VI._(HRR)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Karl_VI.

https://www.tamino-klassikforum.at/index.php?thread/8485-kaiser-karl-vi-und-die-musik/

https://www.habsburger.net/de/kapitel/karl-vi-der-letzte-habsburger