Ein barockes „Wimmelbild“ und sein Hintergrund

Das Bild vom Erbhuldigungszug Maria Theresias am 22. November 1740 erzählt uns nicht nur viel über barockes Zeremoniell und fürstliche Herrschaftsrepräsentation – und die politisch unruhige Situation, die damit überbrückt werden sollte - sondern lässt uns auch mit seinem unglaublichen Detailreichtum einen Blick zurück in der Zeit tun.

Ähnlich heute bekannten Wimmelbildern zeigt die Darstellung des Zuges über den Graben eine unglaubliche Fülle an Einzelheiten. Dass das Bild uns heute „fremd“ vorkommt, liegt nicht nur an der natürlich rein fiktiven Perspektive – der Graben war selbstverständlich nie so breit, dass eine derartige Ansicht möglich gewesen wäre – sondern auch daran, dass viele der hier abgebildeten Gebäude heute nicht mehr existieren.

Ganz links im Bild findet sich das sogenannte „Hirschenhaus“ vor dem seit der Erbhuldigung für Ferdinand I. im Jahre 1532 stets das sogenannte Schaugerüst anlässlich der Erbhuldigungsfeiern errichtet wurde. Wie bei so vielen Häusern der Innenstadt gab es auch an der Stelle des späteren Hirschenhauses schon im Mittelalter zwei kleinere Häuser. Den Namen „Hirschenhaus“ erhielt es nach der dort 1571 eingerichteten Apotheke „Zum goldenen Hirschen“.

Schaugerüste waren übrigen recht typische Erscheinungen barocker Festkultur. Zu zahlreichen Anlässen – Erbhuldigungen, Hochzeitsfeierlichkeiten aber auch bei Trauerfeiern – wurden sie errichtet um für eine kurze Zeit bewundert zu werden. Die Gerüste wirkten zwar auf den ersten Blick wie „echte“ Architektur, tatsächlich bestanden sie aber nur aus Holz und oft sogar Pappmaché, waren also tatsächlich ausgesprochen vergänglich konstruiert.

Die Schaugerüste waren aber nicht nur prächtig anzusehen, für die Bevölkerung waren sie auch eine Labsal für den Magen – denn dort wurde kostenlos Wein ausgeschenkt oder er floss gar aus einem Brunnen, auch wurden Brot und Fleisch unter die Menge verteilt.[1]

Auch anlässlich der Erbhuldigung für Maria Theresia wurde das Volk von dem Schaugerüst aus mit Köstlichkeiten versorgt. Man habe aus Anlass der Anerkennung Maria Theresias als rechtmäßige Herrscherin über die Österreichischen Erblande „am Graben roth und weissen Wein rinnen zu lassen auch Brodt und unterschiedlich Gebrattenes unter das Volk auszuwerfen mithin zu solchen auf bemelten Graben eine eigen Altona aufrichten […] lassen.[2]

Lassen wir nun den Blick an der Pestsäule vorbei weiter nach rechts schweifen. Im Bild vor dem Stephansdom in der rechten Bildhälfte sehen wir das „Winkelwerk“ des mittelalterlichen Freisinger-Hofs. Der Legende nach soll der Hof von Otto von Freising, dem Bruder des Babenbergers Heinrich Jasomirgott im 12. Jahrhundert gegründet worden sein. Urkundlich erwähnt ist er zwar erstmals in der Mitte des 13. Jahrhunderts, allerdings spricht für eine Errichtung vor dem Bau der „neuen“ Stadtmauer um das Jahr 1200, dass der Eingang ursprünglich nicht zum Graben hin – der ja damals noch Teil der Befestigungsanlage und nicht zugeschüttet war – sondern zur heutigen Freisingergasse hin orientiert war, womit auch die Herkunft des Gassennamens geklärt wäre. Jedenfalls war der Freisinger-Hof die Niederlassung des Hochstifts Freising in der Haupt- und Residenzstadt. Noch zur Regierungszeit Maria Theresias wurde das veraltete Gebäude aber abgerissen und durch den „Trattnerhof“ ersetzt, ein monumentales Gebäude das den Namen seines Bauherrn Johann Thomas Edlen von Trattner trug und das wesentlich zur Vermehrung dessen Reichtums beitrug. Immerhin wohnten in dem enormen Gebäude an die 600 Menschen und der jährliche Ertrag daraus wird mit 32.000 Gulden angegeben. Die heutigen Gebäude sind allerdings ein sezessionistischer Neubau aus dem frühen 20. Jahrhundert. Der Namen der Gasse „Trattnerhof“ zwischen den beiden Baublöcken unweit des Haas-Hauses allerdings erinnert uns noch an das gewaltige Gebäude von einst.[3]

Rechts an den Freisinger-Hof anschließend sehen wir im Bild das „Elephantenhaus“ mit der Abbildung des Elefanten an der südlichen Hausfassade ganz am rechten Bildrand. Dieses Gebäude begrenzte den Graben bis zum Jahr 1866. Das abgebildete Haus selbst scheint um 1660 entstanden zu sein, doch schon weit früher standen an seiner Stelle schmalere, mittelalterliche Häuser. Das riesige Bild eines Elefanten übrigens erinnert an die Ankunft des ersten derartigen Dickhäuters in Wien im Jahre 1552. Es war erst 16 Jahre vor der Erbhuldigung geschaffen worden, als man das ursprüngliche Relief, das schon zu stark verwittert gewesen war abgenommen und durch ein monumentales Wandgemäle ersetzt hatte. [4]

Doch nun zum Vordergrund des Bildes und damit zur eigentlich dargestellten Hauptsache, der Erbhuldigung Maria Theresias.

Denn dass es diese Feierlichkeit überhaupt gab, war gar nicht so selbstverständlich. Maria Theresias Vater Kaiser Karl VI. verstarb 1740 überraschend. Anfang Oktober war er nach Halbthurn (im Burgenland) zur Jagd aufgebrochen. Nur wenige Tage später erkrankte er nach dem Genuss von sautierten Pilzen. Er reiste – schwer krank und von ständigem Erbrechen gequält-  zurück nach Wien, doch schon am 20. Oktober erlag er der mutmaßlichen Pilzvergiftung[5] – nicht einmal drei Wochen nach seinem 55. Geburtstag.

Als Tochter war Maria Theresia tief getroffen, aber noch schwerer trafen sie die Schwierigkeiten bei der Übernahme der Regierung. An eine Nachfolge im Heiligen Römischen Reich war für sie als Frau ohnehin nicht zu denken, hier hoffte man so kurz nach dem Tod Karls VI. noch darauf, dass es möglich sei, Maria Theresias Gemahl Franz Stephan zum Nachfolger zu küren – was aber erst 1745 nach einem Zwischenspiel durch den Wittelsbacher Karl VII. gelang. Doch in den Habsburgischen Erblanden war durch die Pragmatische Sanktion, in deren Durchsetzung Maria Theresias Vater so viel Kraft und Diplomatie gelegt hatte, die Erbfolge seiner Tochter eigentlich gesichert.

Die Betonung liegt allerdings auf dem Wort „eigentlich“. Denn die Untertanen waren gar nicht gleich so restlos begeistert, wie man es durch die spätere Begeisterung für Maria Theresia annehmen könnte. Man muss bedenken, Maria Theresia hatte zu diesem Zeitpunkt auch selbst wiederum „nur“ drei Töchter geboren, eine weitere Erbfolge schien einmal mehr nicht gesichert und Streit um die Nachfolge bedeutete für die Untertanen fast immer Krieg! Maria Theresia war zwar zum Zeitpunkt der Erbhuldigung bereits im vierten Monat mit dem späteren Kaiser Joseph II schwanger – was man im Bild übrigens daran sieht, dass Maria Theresia links im Vordergrund (schräg links neben der Pestsäule und fast genau vor dem Josefsbrunnen) in einer Sänfte getragen wird – doch noch konnte man ja nicht wissen, dass es diesmal tatsächlich ein Junge werden sollte.

Außerdem trafen noch weitere ungünstige Umstände zusammen. Das Wetter hatte in dem Jahr die Weinernte vernichtet, auch die Preise für andere Lebensmittel waren enorm in die Höhe geschossen. Dazu kam noch, dass der eben nach einer Jagd verstorbene Kaiser sein kostbares Wild stets gehütet und gehegt hatte – mit schlimmen Folgen für die Bauern, denen die Unmengen an Wildtieren die Felder und Gärten entweder leerfraßen oder zertrampelten und die wegen des adeligen Jagdprivilegs nicht geschossen werden durften. All das – in Kombination mit der höchst angezweifelten weiblichen Erbfolge – führte im Herbst 1740 zu erheblichen Unruhen in der Bevölkerung.[6]

Noch vor der feierlichen Erbhuldigung setzte die junge Monarchin daher erste Reformschritte und sorgte für Brot: „Die Klerisei[7] und die weltlichen Herrschaften ist anbefohlen worden, ihre Kornspeicher zu eröffnen und den Vorrat um einen billigen Preis abzustellen.“ Der Preis für Rindfleisch wurde durch ihren Befehl gesenkt und das Wild wurde deutlich dezimiert.[8]

Einer festlichen Inthronisation der jungen Fürstin sollte nun nichts mehr im Wege stehen zumal es Maria Theresia offenbar relativ leicht gelang, bei öffentlichen Auftritten die Menschen für sich zu begeistern.[9] Angesichts der unruhigen Lage beeilte man sich beim Regierungsantritt Maria Theresias aber besonders, den Treueid der Niederösterreichischen Landstände bei der Erbhuldigung entgegen zu nehmen.[10] Diese Erbhuldigung war in den Österreichischen Ländern der Ersatz für eine Krönung. Die Stände, also die Vertreter des Adels, der Städte und des Klerus, huldigten dem neuen Erzherzog – oder in diesem Falle eben der Erzherzogin – und bestätigten damit die Rechtmäßigkeit der Nachfolge. Insofern war die Erbhuldigung ein förmlicher staatspolitischer Akt. Aus Klosterneuburg wurde zu diesem Anlass der Erzherzogshut geholt, der dort sonst in unmittelbarer Nähe der Reliquien des Hl. Leopold aufbewahrt, und damit quasi selbst geheiligt, wurde – und der das Stift eben nur zum Zwecke der Erbhuldigung verließ. Der Erbhuldigungszug von der Hofburg zum Dom, wo ein feierliches Hochamt stattfand, war der Beginn der Festlichkeiten. Anschließend fand die wechselseitige Verpflichtung von Herrscherin und Untertanen in der Ritterstube der Hofburg statt. Die Regentin gelobte, die Rechte und Freiheiten des Landes zu schützen, die Landstände wiederum gelobten ihr Treue.[11]

Die prachtvollen Feierlichkeiten beim Regierungsantritt Maria Theresias – inklusive der Gratisverteilung von Wein und Speisen am Graben – sollten aber freilich nicht nur die Nachfolge sichern, sondern auch das aufmüpfige Volk beruhigen. Tatsächlich gelungen ist dies allerdings nicht. Die Erbhuldigung war nach wie vor von Unruhen überschattet, die darin gipfelten, dass sogar einem besonders verhassten Hofkriegsrat die Scheiben eingeschmissen wurden.[12] Einen tatsächlichen Stimmungswechsel zugunsten der jungen Monarchin brachte erst die Geburt des Thronfolgers Joseph. Doch das ist eine andere Geschichte…

 

Bildnachweis:

Johann Cyriak Hackhofer, Johann Andreas d. Ä. Pfeffel, Christian Engelbrecht, Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände für Maria Theresia am 22. November 1740: Der Zug über den Graben, 1901–1950, Wien Museum Inv.-Nr. 306376, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/1082878/)

 

Quellen und weitere Infos:

 

Hanne Egghardt, Maria Theresias Kinder: 16 Schicksale zwischen Glanz und Elend, Wien 2010/2013.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Paul Harrer-Lucienfeld, Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur, Bd. 1,1, Wien 1951.

Helga Peham, Maria Theresia - ganz privat, Wien 2003.

Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit, München 2017.

Werner Telesko, Ehrenpforten und ephemere Architektur. In: Stefanie Linsboth/Werner Telesko/Sandra Hertel (Hrsg.), Die Repräsentation Maria Theresias: Herrschaft und Bildpolitik im Zeitalter der Aufklärung, Wien 2020.

 

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erbhuldigung

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Freisinger_Hof

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hirschenhaus_(1)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zum_schwarzen_Elefanten_(1,_Graben)

 



[1] Harrer-Lucienfeld, S. 107.

[2] Telesko, S. 223[3] Harrer-Lucienfeld, S. 135ff.[4] Harrer-Lucienfeld, S. 156ff.[5] Egghardt, S. 29

[6] Stollberg-Rilinger, S. 71f. und Peham S. 87f.

[7] d.h. der Klerus[8] Peham, S. 91.[9] Peham, S. 91.

[10] Stollberg-Rilinger, S. 72.

[11] Stollberg-Rilinger, S. 72f.[12] Stollberg-Rilinger, S. 74.