Friedrich von Amerling – ein Leben wie ein Roman

Als Friedrich von Amerling am 14. Jänner 1887 – für seine Zeit hochbetagt - im Alter von 84 Jahren starb, hatte er ein sehr bewegtes, ja fast abenteuerliches und vor allem überaus erfolgreiches Leben hinter sich. Denn als der kleine Friedrich als Sohn eines Gold- und Silberdrahtmachergesellen im Haus „Zu den drei Herzen“ in der Vorstadt Spittelberg geboren wurde, waren die Umstände dramatisch und die Vorzeichen nicht eben günstig.

Friedrichs Zwillingsbruder starb nur wenige Stunden nach der Geburt und die Familie lebte insgesamt in prekären Verhältnissen. Die mehr als schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der Napoleonischen Kriege führten dazu, dass die Zeiten für die Produzenten von Luxuswaren – wozu freilich auch Gold- und Silberdrahtmacher zählten – nicht eben die besten waren und so war auch im Hause Amerling des Öfteren Schmalhans Küchenmeister. Trotzdem brachte Friedrichs Mutter Theresia im Laufe ihres Lebens 15 Kinder zur Welt, von denen allerdings nur Friedrich selbst und die letztgeborenen Brüder Joseph und Andreas am Leben blieben. [1]

Man hauste ärmlich in zwei Zimmern, von denen eines als Werkstatt diente.[2] Die Wohnung der Familie – heute ist das Geburtshaus nach seinem berühmten Sohn benannt – lag zudem in einem damals ausgesprochen übel beleumundeten Viertel. Auf dem Spittelberg war seit dem 18. Jahrhundert das Rotlichtviertel angesiedelt. Dort tummelten sich die „gemeinsten“ also am wenigsten vornehmen Prostituierten, und ein Gutteil der Häuser waren Wirtshäuser, die nicht selten als „Winkelbordelle“ fungierten.[3] Die materiellen Verhältnisse der Familie Amerling ließen es nicht zu, dass Friedrich eine höhere Schulbildung erhalten hätte. Doch Friedrichs Zeichentalent fiel früh auf. Er zeichnete und malte wo er konnte, selbst Hauswände und Tische sollen vor ihm nicht sicher gewesen sein.[4] Einmal soll er von der Schule nach Hause gekommen sein und seine kleine Schwester, die schon seit längerem krank gewesen war, tot aufgefunden haben. Neben dem Bett lag schon auf einem Tisch ein Blatt Papier, das für den Totenbeschauer bereit lag, damit er darauf den Totenschein ausstellen solle. Friedrich allerdings nahm das Blatt und zeichnete darauf mit der ebenfalls bereitstehenden Tinte ein Portrait seiner kleinen Schwester.[5]

Dadurch bemerkte ein Nachbar der Familie, ein uns heute namentlich nicht mehr bekannter Kupferstecher, das außerordentliche Talent des Kindes und schon mit 12 Jahren wurde er an der Akademie der bildenden Künste aufgenommen. Den Anfang machte er in der Graveurschule. Dort sollte er wohl wie es damals üblich war, für einen handwerklichen Beruf ausgebildet werden. Von einer Karriere als Maler war bei Weitem noch nicht die Rede. Doch nicht ganz ein Jahr nach seinem Eintritt in die Akademie wechselte er schon in die Klasse der „historischen Anfangsgründe“.[6] Allerdings erlaubten es die hohen Kosten für Farben, Leinwände und dergleichen nicht, dass der Knabe lange in der Akademie blieb und der Vater schickte ihn zu einem Zimmermaler in die Lehre.[7] Dort hielt es der talentierte Bursche aber nicht lange aus und er lief fort um sich fortan selbst seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er malte für ein paar Gulden Aushängschilder, Uhrblätter und erste Portraits.[8] Mit 20 Jahren machte er sich auf nach Prag – in der Tasche vier Gulden, die er wiederum mit Portraits verdient hatte – wo er bei seinem Onkel Aufnahme fand und besuchte die dortige Akademie. Zwei Jahre später verließ er Prag nach einem Skandal um Jeanette Gaßner[9], eine junge Verwandte des Malers Joseph von Führich, die kurz vor ihrer Hochzeit von Amerling verlangte, er solle sie entführen. Über Dresden, Magdeburg, Wittenberg und Hamburg reiste er nach London. [10]  Als er sich vorschriftsmäßig bei der dortigen Österreichischen Botschaft anmeldete, malte er quasi als Probe innerhalb von nur drei Stunden ein auffallend gutes Portrait des Portiers. Dieses zeigte man dem Botschafter, dem Fürsten Paul Ersterhazy, der dermaßen beeindruckt war, dass er Amerling den Auftrag für einige Portraits seiner Familie gab und ihm zudem erlaubte, täglich am Bedienstetentisch des Fürsten zu essen. Für Amerlings künstlerischen Werdegang wurde seine Förderung durch den berühmten Thomas Lawrence entscheidend.[11] Doch auch in London hielt es den unsteten Amerling nicht lang und er reiste weiter nach Paris, von wo aus er 14 Monate später über Straßburg, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München und Graz nach Wien zurückkehrte.[12]

Nach Wien zurückgekehrt wurde ein erstes bescheidenes Atelier angemietet und erste Arbeiten entstanden, die auf großes Interesse stießen. Das Atelier im Chotekschen Palais musste er allerdings 1831 für einige Zeit räumen, da die Cholera ausgebrochen und in dem Gebäude ein Spital eingerichtet worden war. Amerling ging indessen auf Reisen nach Italien. Ein Jahr später war er in Wien zurück und bezog im Chotekschen Palais nicht mehr die ärmlichen Räume im Erdgeschoß, sondern bewohnte nun einige Zimmer in der ersten Etage – gemeinsam mit seiner jungen Gattin Antonie. Als Maler ist er nun bereits höchst etabliert, die Spitzen der Gesellschaft zählen zu seinen Kunden, sein Portrait des Kaisers im Krönungsornat legt dafür Zeugnis ab.[13] Gemeinsam mit Antonie empfing und bewirtete er nun einmal wöchentlich eine illustre Gästerunde in seiner Wohnung. Aber auch jetzt reiste er gerne.[14] Während eines Aufenthalts in Rom starb Antonie, die schön längere Zeit krank gewesen war. Tief betrübt reiste Amerling ab.[15] Das Schicksal wollte es, dass auch Amerlings einziger Sohn wie seine Mutter und seine Tante an einem Lungenleiden starb. Friedrich Amerling junior war nur 15 Jahre alt geworden.[16]

Amerling heiratete noch drei Mal. Ein Jahr nach dem Tod von Antonie nahm er Katharina Heissler zur Frau, von der er sich allerdings wenige Monate später bereits wieder trennte.[17] 1858 kaufte Amerling – der Knabe vom Spittelberg - das altehrwürdige Schloss Gumpendorf und zog dort ein. Die nächste Zeit brachte er damit zu, es innen und außen zu einer Sehenswürdigkeit zu machen. Kurze Zeit später heiratete er erneut. Diesmal die blutjunge Emilie Heinrich – sie war gerade einmal 21 Jahre alt. Amerling fühlte sich wohl einsam in seinem großen Schloss, nachdem Ludmilla, seine einzige Tochter aus der Ehe mit Antonie geheiratet hatte und ausgezogen war.[18] Zuvor musste Amerling sich allerdings von Katharina scheiden lassen, sich offiziell einen Wohnsitz in Siebenbürgen zulegen und zum Evangelischen Glauben übertreten, da nach katholischem Recht eine Scheidung ja unmöglich gewesen wäre. Nach österreichischem Recht hätte er trotzdem der Bigamie beschuldigt werden können. Allerdings wurde keine Klage erhoben und Katharina starb relativ bald.[19] Aus der Ehe mit Emilie hatte Amerling insgesamt fünf Kinder, ein Mädchen und ein Bub starben noch als Kleinkinder, die Töchter Friederike, Wilhelmine und Marie – sie wurde als Jüngste übrigens geboren als ihr Vater schon beinahe 70 war – erreichten das Erwachsenenalter.[20]

1878 wurde Friedrich Amerling – dem Buben aus dem Rotlichtviertel – der Orden der Eisernen Krone verliehen, womit er auch in den erblichen Ritterstand aufgenommen wurde.[21] Zwei Jahre später verlor Amerling auch seine dritte Gattin. Emilie starb noch nicht einmal 45 Jahre alt.[22] Friedrich – nunmehr „von“ Amerling heiratete noch einmal. Am 26. November 1881 gab er der 34-jährigen Marie Paterno das Ja-Wort.[23]

Eine Übersicht über Amerlings Werk ist nahezu unmöglich – schuf er im Laufe seines Lebens doch an die 1.000 Werke.[24] Seine Portraits die ihm so viel Ruhm und auch Reichtum eintrugen sind höchst realistisch – doch immer mit einer Art von Filter versehen. Denn er betrachtete die Abgebildeten quasi durch die rosarote Brille. Für ihn hatte das aber nicht nur damit zu tun, dass natürlich jede(r) Auftraggeber(in) es bevorzugte, schön und ebenmäßig dargestellt zu werden, was freilich zur Beliebtheit seiner Bilder beitrug, sondern es war vor allem seine Auffassung von Kunst. Sein Zeitgenosse, der Kunsthistoriker Carl von Lützow schreibt über Amerlings Kunstauffassung: „Alles, was sie [die Kunst] berührt [sei], mit einem zarten Duft von Anmuth und Lieblichkeit zu umgeben, das Ernste zu erhöhen, das Schöne zu verklären und nichts in den Staub des gewöhnlichen herabzuziehen.“[25]

Friedrich von Amerling starb nach einem unendlich bewegten und schaffensreichen Leben in seinem prachtvollen Schlösschen im 6. Bezirk, das im Volksmund nach ihm als „Amerlingschlössel“ bezeichnet wurde. Nur knapp mehr als 20 Jahre nach seinem Tod musste das historische Gebäude dem Stadtbahnbau weichen, die Reste wurden in den 1960er Jahren abgetragen – doch das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte….

 

Quellen und Infos:

Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Bd. I. A bis Da, Wien 1992.

Ludwig August Frankl Ritter v. Hochwart: Friedrich von Amerling. Ein Lebensbild, Wien/ Pest/ Leipzig, 1889.

Carl von Lützow, Amerling als Künstler. In: Ludwig August Frankl Ritter v. Hochwart: Friedrich von Amerling. Ein Lebensbild, Wien/ Pest/ Leipzig, 1889.

Günther Probszt, Friedrich von Amerling, der Altmeister der Wiener Portraitmalerei, Wien 1927.

Josef Schrank, Die Prostitution in Wien in historischer, administrativer und hygienischer Beziehung, 1. Band, Wien 1889.

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Amerling

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Gumpendorfer_Schloss

 

Bildnachweis:

Friedrich von Amerling (Künstler), Friedrich von Amerling (Selbstporträt), Selbstbildnis Friedrich von Amerling, 1870, Wien Museum Inv.-Nr. 43789, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/42453/)

https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

Bild bearbeitet/Ausschnitt.

 

 



[1] Probszt, S. 15f.

[2] Frankl, S. 4.

[3] Schrank, S. 215ff.

[4] Probszt, S. 16f.

[5] Frankl, S. 7.

[6] Probszt, S. 16f.

[7] Frankl, S. 8.

[8] Frankl, S. 9ff.

[9] Probszt, S. 22.

[10] Frankl, S. 12ff.

[11] Frankl, S. 17f.

[12] Probszt, S. 28.

[13] Probszt, S. 30ff.

[14] Frankl, S. 39ff.

[15] Frankl, S. 64ff.

[16] Frankl, S. 85.

[17] Frankl, S. 69f.

[18] Frankl, S. 95ff.

[19] Frankl, S. 101.

[20] Frankl, S. 104.

[21] Frankl, S. 117.

[22] Frankl, S. 128.

[23] Frankl, S. 132.

[24] Czeike, S. 83.

[25] Lützow, S. 183.