Katholische Kaiserin wider Willen

Ungewöhnlich willensstark und charakterfest muss jenes Mädchen gewesen sein, das es schaffte, sich als Teenager immerhin drei Jahre lang den Wünschen ihrer Familie zu widersetzen. Denn als Elisabeth Christine, so hieß  die kleine Prinzessin aus dem alt-ehrwürdigen Geschlecht der Welfen, gerade dreizehn Jahre alt war, hatte ihr ehrgeiziger Großvater Anton Ulrich regierender Herzog zu Braunschweig und Lüneburg und Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der habsburgischen Kronprinzessin Wilhelmine Amalie – einer geborenen Prinzessin von Braunschweig-Lüneburg – bereits die Heirat des Mädchens mit deren Schwager, des Kaisers Leopold I. zweitem Sohn Karl, verabredet.

Diese Hochzeit hätte eigentlich für das Mädchen einen ungeahnten Aufstieg bedeutet, denn nicht nur, dass das Fürstentum ihres Großvaters nur eines der vielen im Konzert der Kleinstaaten des Heiligen Römischen Reiches war, war ihr Vater auch noch der jüngste Sohn des Herzogs und damit von der Herrschaft eigentlich ausgeschlossen. Nur durch einen Familienvertrag hatte man ihm doch die winzige Grafschaft Blankenburg als eigenes Herrschaftsgebiet zugestanden, die später sogar zum Fürstentum erhoben wurde.

Eine weitere Verbindung der Braunschweiger mit dem Hause Habsburg schien eine glänzende Partie zu sein, zumal der Auserwählte bereits als Karl III zum Spanischen König proklamiert worden war. Zwar steckte er noch in einem erbitterten Krieg um das spanische Erbe, doch man war zuversichtlich, dass die Entscheidung zugunsten des Hauses Habsburg fallen würde. Doch die junge Prinzessin weigerte sich nach wie vor beharrlich, die Ehe mit Karl einzugehen – aber nicht, weil sie den habsburgischen Prinzen nicht wollte, sondern weil sie vor einer solchen Heirat erst zum Katholizismus konvertieren musste.

Sie schrieb als 15-Jährige: „Ich hoffe fest, dass der gute Gott das Unglück, das über meinem Haupte schwebt abwenden wird; darum bitte ich ihn ohne Unterlass.“[1] Und während Vater und Großvater vor allem die dynastischen Vorteile im Blick hatten und auf die Heirat drängten, pochte die Mutter Christine Luise auf die Bewahrung des reinen Glaubens. Sie schäfte der Tochter ein, dass sie Gott mehr zu gehorchen habe als den Menschen. Die Gewissensnot des jungen Mädchens wird sie damit wohl noch deutlich verschlimmert  haben. Schließlich nahm sich der Philosoph Leibniz der jungen Frau an. Dem Gelehrten, der selbst ein Verfechter einer Vereinigung der christlichen Religionen war, gelang es schließlich, Elisabeth Christine zu überzeugen. Am 1. Mai 1707 erfolgte im Bamberger Dom der feierliche Übertritt zum Katholizismus. Die Prinzessin tröstete sich mit der Zusage, die Kommunion weiterhin in beiderlei Gestalt empfangen zu dürfen. Zwar hatte man ihr dieses Recht wenige Jahre nach der Hochzeit wieder abgesprochen, die Wiener nahmen ihr wohl auch wegen dieses Sonderrechts die Konversion nicht voll ab. Als das Kaiserpaar lange ohne Nachkommen blieb und dann auch noch der endlich geborene und so lang ersehnte Thronfolger Leopold Johann im Alter von nur knapp über einem halben Jahr verstarb, sahen es nicht wenige als eine Strafe Gottes an. Man unterstellte der jungen Kaiserin, nicht wirklich Katholikin zu sein und quasi im Verborgenen noch immer dem verpönten Luthertum zu frönen und protestantische Bücher zu lesen. Noch wenige Jahre vor ihrem Tod berichtet der Preußische Gesandte Podewils über derartige Gerüchte.

Ihre Stellung in Wien war deshalb – aber nicht nur deshalb – schwierig. Die lange Kinderlosigkeit und das natürlich der Frau angelastete Fehlen eines männlichen Thronfolgers, das letztlich zum Aussterben der Habsburger in männlicher Linie führte, haben Elisabeth Christine zweifellos belastet. Zudem musste sie just von ihrer Verwandten Wilhelmine Amalie, die ihre Heirat ja betrieben hatte, massive Sticheleien ertragen, denn Wilhelmine Amalie fühlte sich nach dem frühen Tod ihres Gatten Kaiser Joseph I zurückgesetzt. Sie hatte damit gerechnet, dass die 18 Jahre jüngere Elisabeth Christine spanische Königin werden würde, nicht aber dass sie ihr, der nunmehr verwitweten Kaiserin, als regierende Kaiserin den Rang ablaufen könnte.

Zudem unterzog man die Gesundheit der Kaiserin jahrelang schwersten Prüfungen, denn sie musste die verschiedensten „Wunderkuren“ über sich ergehen lassen, in der Hoffnung, doch noch einem Thronfolger das Leben zu schenken. Ihre letzten Jahre waren auch deshalb von Krankheit geprägt. Sie war dick und unbeweglich geworden, wurde von Rheumatismus, Gürtelrose und wohl auch Depressionen geplagt.

Als sie am 21. Dezember 1750 starb war sie nicht einmal 60 Jahre alt, aber ein Leben unter dem sezierenden Blick eines Hofstaates, ja einer ganzen Residenzstadt, ein Leben unter dem Druck einem Erben das Leben schenken zu müssen und vielleicht auch ein Leben mit ständigen Gewissensqualen hatte seinen Tribut von der einst so schönen Frau gefordert. Ihre Tochter Maria Theresia, die zeitlebens ein nicht unumschränkt herzliches Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt hatte, ließ ihr durch Balthazar Ferdinand Moll einen prächtigen Sarkophag mit anrührenden Inschriften errichten.

 

 

Quellen und weitere Infos:

 Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien 1988.

Wilhelm Hoeck, Anton Ulrich und Elisabeth Christine von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel. Eine durch archivalische Dokumente begründete Darstellung ihres Übertritts zur römischen Kirche, Braunschweig 1845.

Helga Peham, Maria Theresia – ganz privat, Wien 2003.

https://www.habsburger.net/de/kapitel/elisabeth-christine-und-der-verzweifelte-kampf-um-den-fortbestand-der-dynastie

https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Christine_von_Braunschweig-Wolfenb%C3%BCttel

https://kapuzinergruft.com/kaiserin-elisabeth-christine-von-braunschweig-wolfenbuettel

 

 



[1] Peham, S. 17.