Den treuen Bürgern zum Dank

Heute vor 228 Jahren - am 7. April 1793 - fanden sich die Spitzen der Stadt Wien – namentlich das bürgerliche Offizierscorps mit seinen Obersten, die Vorsteher der bürgerlichen Innungen sowie der kaiserliche Rat und Bürgermeister Hörl - pünktlich um 12 Uhr Mittags beim Kaiser zur Audienz ein. In der Hofburg erhielten sie dann aus der Hand des erst 25-jährigen Monarchen, der dermaleinst als der „gute Kaiser Franz“ in die Geschichte eingehen sollte, einen prunkvollen Becher überreicht. Grund für diese kaiserliche Gunstbezeugung war der Beistand der Wiener Bürgerschaft für den jungen Herrscher.

Denn noch ehe er überhaupt formell die Nachfolge seines überraschend verstorbenen Vaters Leopold II hatte antreten können, sah sich der junge Erzherzog Franz – später als Franz II letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – einem Krieg gegenüber.

Frankreich hatte nur sieben Wochen nach dem Tod Kaiser Leopolds die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und dem jungen Habsburger am 20. April 1792 den Krieg erklärt. (Mazohl, S. 309.) Es war ein Offensivschlag der noch jungen Revolution. Man fühlte sich durch das noch von Leopold II in Pillnitz bei Dresden geschlossene Bündnis der Habsburger mit Preußen, das ja schließlich den Weiterbestand der monarchischen Regierung in Frankreich gewährleisten sollte, bedroht. (Mraz, S. 6.)

Für Franz hieß es nun, alles aufzubieten und dabei in die eigene Schatulle zu fassen, aber auch auf seine Untertanen zurückzugreifen, wenn es um die Beschaffung der für diesen Krieg so notwendigen Finanzmittel ging.

Auch die Stadt Wien und ihre Bürger gaben Millionenbeträge. (Österreich, S. 6) Dazu mag einerseits beigetragen haben, dass die Stadt nach der Magistratsreform kaum noch über politische Eigenständigkeit verfügte (Czeike, S. 248ff.), aber auch, dass Franz II auch persönlich bescheiden mit gutem Beispiel voranging. Er wollte wohl tatsächlich die Bevölkerung nicht durch weitere Steuern und Abgaben belasten und ordnete an, alles nur dem Prunk und der Repräsentation dienliche Edelmetall zu vermünzen – also einzuschmelzen. An Tafelsilber blieb nur, was unbedingt notwendig war, alles andere wurde durch Porzellangeschirr ersetzt. Erst dadurch wurde übrigens das Verwenden von Porzellan sozusagen hoffähig! Denn davor war Porzellan nur beim Dessertgeschirr oder etwa bei Tafelaufsätzen üblich gewesen. Für Speisegeschirr am kaiserlichen Hof hatten ausschließlich edle Metalle gedient. (Winkler, S. 36)

Diesem guten Beispiel des Hofes folgten auch die Innungen und Zünfte. Sie schmolzen ihre sämtlichen silbernen Willkommbecher ein. Um nun seine allerhöchste Dankbarkeit für dieses Opfer auszudrücken, lud der Kaiser das bürgerliche Offizierskorps mit seinen Obristen, die Vorsteher der bürgerlichen Innungen und den Bürgermeister der Stadt Wien Josef Georg Hörl in den Audienzsaal der kaiserlichen Burg ein. (Österreich, S. 6).

Von dem Ereignis wurde sodann ein Kupferstich angefertigt und natürlich berichtete auch die Zeitung darüber. Demnach erhielten die Vertreter der Bürgerschaft aus des Kaisers eigenen Händen einen silbernen Becher mit Vergoldungen und einem Konterfei des Monarchen sowie einer Widmungsinschrift. Die Wiener Zeitung vom 10. April, die über das Geschehen Bericht erstattete, gibt selbige im Wortlaut wieder. Dort heißt es:

Zum ewigen Andenken der besonderen Liebe aller bürgerlichen Innungen, Meister und Gesellen in Wien, für Ihn und ihr Vaterland und zum Beweise seiner Gegenliebe und Erkenntlichkeit, widmet Franz der Zweyte diesen Becher allen seinen lieben Bürger. 1793

Bürgermeister Hörl, so die Wiener Zeitung weiter, danke in einer „bündigen Rede“. Anschließend waren die Vertreter der Innungen und Bürger zu Tisch geladen und die Wiener Zeitung wusste zu berichten, dass diese an einer Tafel mit 242 Gedecken prächtig bewirtet wurden. Kaiser und Kaiserin – die übrigens hochschwanger war und nur 12 Tage später den Kronprinzen Ferdinand gebar -  geruhten selbst an der Tafel in den Redoutensälen zu erscheinen und Bürgermeister Hörl benutzte den eben überreichten Becher, um auf das Wohl des Monarchen zu trinken. Nachdem die Tafel aufgehoben worden war, wurde der Pokal vom Bürgermeister in Begleitung einiger der Oberoffiziere des bürgerlichen Regiments und des Artilleriekorps feierlich ins bürgerliche Zeughaus am Hof gebracht, wo er als Andenken sorgfältig aufbewahrt werden sollte. (Wienerzeitung, 10. April 1793)

 

Bildnachweis:

Joseph Stöber (Kupferstecher), Johann Christian Sambach (Zeichner), Empfang des Bürgerlichen Offizierskorps und der Innungsvorsteher bei Kaiser Franz II. am 7. April 1793, 1795, Wien Museum Inv.-Nr. 198270, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/369626/)

 

Quellen und Infos:

 

Felix Czeike, Wien und seiner Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte, Wien/München 1974.

Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wein 1988.

Brigitte Mazohl, Vom Tod. Karls VI. bis zum Wiener Kongress (1740-1815). In: Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Geschichte Österreichs, Stuttgart 2015/2016.

Gottfried Mraz, Das Kaisertum Österreich. Die Vollendung einer Gesamtstaatsidee. In: Kaisertum Österreich 1804-1848, Ausstellungskatalog, Bad Vöslau 1996.

o.V., Österreich oder die Macht der hl. Demokratie, dargestellt mittelst einiger Erinnerungen aus der Geschichte dieses Jahrhunderts, von einem einfachen Bürger, Wien 1866.

Hubert Chryspolitus Winkler, Ehemalige Hofsilber & Tafelkammer. Silber, Bronzen, Porzellan, Glas, Band 1, Wien/Köln/Weimar 1996.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Koalitionskrieg

https://de.wikipedia.org/wiki/Marie-Antoinette_von_%C3%96sterreich-Lothringen#Franz%C3%B6sische_Revolution

https://www.habsburger.net/de/kapitel/kaiser-franz-iii-und-napoleon

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Magistratsreform