Der Bildhauer der Kaiserin

Die Zahl der Künstler am Hofe Maria Theresia war fast unüberschaubar, war ihr Werk doch für die barocke Repräsentation des Kaiserhauses unverzichtbar. Doch ein Mann stach insoferne heraus, als er einige der persönlichsten Werke im Auftrag der Monarchin ausführte – Balthasar Ferdinand Moll.

Moll wurde am 4. Jänner 1717 in Innsbruck in eine Bildhauerfamilie geboren. Sein Vater Nikolaus war Bildhauer gewesen und hatte sein Handwerk wahrscheinlich bei dem berühmten Balthasar Permoser in Salzburger erlernt. Auch zwei von Balthasar Ferdinand Molls Brüdern – der um acht Jahre ältere Johann Nikolaus und der fünf Jahre jüngere Anton Cassian waren Bildhauer. Alle drei verließen Tirol, um in Wien zu lernen und zu arbeiten – schließlich war wie gesagt der Bedarf an Künstlern im Umfeld des Kaiserhofes und an den Höfen der zahlreichen Adeligen in der Haupt- und Residenzstadt groß. Der Älteste, Johann Nikolaus, kam wohl schon um 1730 nach Wien und arbeitete rund 10 Jahre später gemeinsam mit Johann Georg Pichler an den Kaiserlichen Sarkophagen in den Kapuzinergruft. Maria Theresia hatte ja schon kurz nach ihrem Regierungsantritt die ersten Aufträge für neue Sarkophage in der allerhöchsten Begräbnisstätte gegeben. Einer der ersten war der Sarkophag ihrer Großmutter Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg. Diese hatte zwar selbst eine bescheidene Begräbnisform gewünscht, doch die repräsentationsbewusste junge Monarchin ließ den nach über 20 Jahren schon leicht zerfallenden Holzsarg ihrer Großmutter so nicht gelten und bestellte einen in ihren Augen würdevollen Sarkophag.[1] Damit begann die lange Tätigkeit der Gebrüder Moll in der kaiserlichen Gruftanlage.

Während sich Balthasar Ferdinand, der ab 1741 ebenfalls in Wien nachweisbar ist, und Johann Nikolaus auf großformatige Arbeiten wie diese konzentrierten, spezialisierte sich der jüngste,  Anton Cassian, auf Münzen und Medaillen. Doch das Schicksal wollte es, dass Balthasar Ferdinand bald der einzige der Gebrüder Moll in Wien sein sollte, denn Johann Nikolaus starb 1743 und Anton Cassian 1757.

Schon recht bald scheint Balthasar Ferdinand Moll auch für den kaiserlichen Hof tätig gewesen zu sein. Bereits 1742/1743 entwirft er Karussellwagen für das feierliche Damenkarussell, das Maria Theresia anlässlich der Rückeroberung Prags veranstalten ließ. Von den acht ausgeführten Wagen, ist einer noch heute in der Kaiserlichen Wagenburg in Schönbrunn zu besichtigen.[2]

Balthasar Ferdinand führte nach dem Tod des Bruders Johann Nikolaus außerdem die gemeinsam begonnenen Arbeiten an den kaiserlichen Sarkophagen weiter. Der erste selbstständige Auftrag, den Balthasar in diesem Zusammenhang wohl erhielt war 1748 der Prunksarkophag der Erzherzogin Karoline.[3] Die kleine Karoline war im September 1748 als zehntes Kind Maria Theresias zur Welt gekommen, doch nach einer komplizierten Geburt – sie war mit den Füßen zuerst geboren worden – noch am selben Tag verstorben.[4]

1754 erhielt Moll dann den Auftrag, die Herzurne für Maria Theresias Tante, die Portugiesische Königin Maria Anna, zu gestalten und ein Jahr später wurde nochmals ein neuer Sarkophag für Maria Theresias Großmutter Eleonore Magdalena bestellt[5]. Die Entlohnung für diese Werke war ausgesprochen gut. Moll erhielt für diese beiden Arbeiten 2391 fl.[6]

Noch besser bezahlt war allerdings der Auftrag für den Doppelsarkophag für Maria Theresia selbst und ihren Gemahl Franz Stephan von Lothringen – als Kaiser Franz I. Um Platz in der Gruft zu schaffen, hatte Maria Theresia schon ab 1748 umbauen lassen. 1753 wurde dann der Bau der heutigen Maria Theresien-Gruft begonnen der ein Jahr später fertiggestellt wurde. Nun konnte auch der von Balthasar Ferdinand Moll geschaffene Blei-Sarkophag für das Herrscherpaar aufgestellt werden. Am 9. August 1754 erfolgten die Aufstellung und die Besichtigung durch die Monarchin. Offenbar gefiel ihr, was sie sah, denn Moll wurde mit der Summe von 9193 Gulden und 18,5 Kreuzern entlohnt.[7]

Balthasar Ferdinand konnte sich in Wien daher gut etablieren. Schon 1745 hatte er Catherina Wächter, die Tochter eines kaiserlichen Dieners geheiratet.[8] 1761 kaufte er das Haus „Zu den Drei Hacken“ in der Rossau, das nach seinem Tod seine Töchter Katharina und Theresia erbten.[9]

Moll schuf aber nicht nur die bekannten Grabdenkmäler, sondern er war für die Plastik in Österreich ein absoluter Pionier – war er es doch, der die ersten großen Reiterdenkmäler der Habsburger schuf. 1777/78 goß Moll, der nun schon den Titel eines „Hofstatuarius“ trug, das erste monumentale Reiterstandbild in der österreichischen Plastik des 18. Jahrhunderts. Es zeigt Joseph II. auf einem courbettierenden Pferd – also einem Pferd das nur auf den Hinterbeinen steht und sich mit dem Vorderkörper hoch in die Luft erhebt. Joseph trägt eine Generalsuniform und hält den Kommandostab in der Hand. Diese Figur wurde allerdings nicht zu Lebzeiten des abgebildeten ausgestellt und fand erst 1797 ihren Platz im Laxenburger Schlosspark. Warum man das Denkmal offenbar seitens des Hofes nicht übermäßig schätzte, lässt sich heute nur vermuten. Möglicherweise entsprach die enorm bewegte Pose nicht mehr dem schon dem Klassizismus zugewandten Zeitgeschmack. Dafür würde sprechen, dass das nächste große Reiterstandbild, das er schuf – nämlich jenes von Kaiser Franz I. – dem Gemahl Maria Theresias – eine weit ruhigere, ja statische Pose einnimmt.[10] Allerdings wurde trotzdem auch diese Arbeit Balthasar Ferdinand Molls nicht sofort vom Hof angekauft. Denn es stand nach der Fertigstellung 1781 für viele Jahre im Hof von Molls Haus in der Rossau und wurde erst lange nach seinem Tod von seinen Erben gegen Leibrente erworben. Das Standbild wurde zuerst im Paradeisgartl und ab 1819 im Burggarten – als damals noch einziger plastischer Schmuck des kaiserlichen Privatgartens - aufgestellt.[11]

Obwohl Moll in Wien zahlreiche Aufträge hatte, arbeitete er auch außerhalb der Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt. So schuf er etwa Figuren am Hochaltar der Innsbrucker Hofkirche (1767/68) und die plastische Dekoration der dortigen Triumphpforte (1773/75). Außerdem errichtete er die Kreuzigungsgruppe am Gruftaltar der Elisabethinenkirche in Klagenfurt (1782).[12]

Doch nicht alle Werke Molls sind uns heute noch erhalten. So hatte etwa Maria Theresia bei ihm ein silbernes Antependium (Altarbehang) für den Gnadenaltar in Mariazell in Auftrag gegeben, das allerdings in der Zeit der Franzosenkriege eingeschmolzen wurde.[13] Und auch die imposanten Grabdenkmäler waren nicht immer zugänglich. 1787 ließ Kaiser Joseph II die Gruft schließen. Zwar durften weiter Bestattungen des Kaiserhauses dort stattfinden, aber Türen und Fenster wurden vermauert, lediglich ein Zugang wurde nur provisorisch geschlossen, sodass man ihn im Begräbnisfall öffnen konnte. Ein Besuch der Hinterbliebenen oder anderer Zaungäste war nicht mehr vorgesehen[14] – doch das ist schon wieder eine vollkommen andere Geschichte.

 

Bildnachweis:

Foto: Fritz Salek/ Bearbeitung: Rita Klement © www.vienna-city-guide.at

 

Quellen und Infos:

 

Eva Berger, "Viel herrlich und schöne Gärten": 600 Jahre Wiener Gartenkunst, Wien/Köln 2016.

Gigi Beutler, Die Kaisergruft bei den PP Kapuzinern zu Wien, Wien 2011.

Hanne Egghardt, Maria Theresias Kinder. 16 Schicksale zwischen Glanz und Elend, Wien 2010.

Magdalena Hawlik-Van de Water, Die Kapuzinergruft: Begräbnisstätte der Habsburger in Wien, Wien 1987.

Karl Hofbauer, Die Rossau und das Fischerdörfchen am oberen Wird, Wien 1859.

Ulrike König, Moll, Balthasar, In: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 733-734 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118966731.html#ndbcontent.

Gisold Lammel, Kunst im Aufbruch: Malerei, Graphik und Plastik zur Zeit Goethes, Stuttgart/Weimar 1998.

Mitteilungen der k.k. Central-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, XIV. Jahrgang, Wien 1869.

Werner Telesko, Maria Theresia. Ein europäischer Mythos, Wien/Köln/Weimar 2012.

Cölestin Wolfsgruber, Die Kaisergruft bei den Kapuzinern in Wien, Wien 1887.

 

https://www.kapuzinergruft.com

https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Moll_(Bildhauer)

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Johann_Nikolaus_Moll_von_Blumeneck

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Anton_Cassian_Moll

 

 



[1] Hawlik-Van de Water, S. 99.


[2] König.


[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Balthasar_Ferdinand_Moll


[4] Egghardt, S. 103ff.


[5] https://www.kapuzinergruft.com/kaiserin-eleonora-magdalena-von-pfalz-neuburg.


[6] Wolfsgruber, 216ff.


[7] Telesko, S. 91.


[8] König.


[9] Hofbauer, S. 151.


[10] Lammel, S. 81.


[11] Hofbauer, S. 151 und Berger S. 197.


[12] König.


[13] Mitteilungen, S. 75.


[14] Beutler, S. 12