Ein Raub der Flammen – Das jähe Aus des Treumanntheaters

Am Abend des 9. April hatte das Treumanntheater seine Gäste noch mit dem um sieben Uhr beginnenden „8. Gastspiel der drei Zwerge“ der kleinwüchsigen Künstler Kis Joszsi, Jean Petit und Jean Piccolo unterhalten. Die drei Schauspieler traten - wie es damals üblich war - in zwei kürzeren Stücken auf, erst wurde „Eulenspiegel als Schnipfer“, eine einaktige Posse von Anton Bittner gegeben, dann folgte die komische Operette „Zehn Mädchen und kein Mann“ mit dem Komponisten Franz von Suppè selbst als Kapellmeister. (Zwischen-Akt Nr. 148/1863) Ein Schnipfer, das sei dazu bemerkt, ist übrigens ein „schlechter Mensch“ (Castelli, 249).

Nur kurze Zeit nach dem Ende der Vorstellung, gegen 22:00 Uhr, bemerkten Passanten aus dem rückwärtigen Teil des Gebäudes in dem sich die Garderoben und die Depots für Requisiten befanden, Rauch aufsteigen. Dann muss alles sehr schnell gegangen sein, innerhalb kürzester Zeit war das komplette Gebäude in Flammen. Die anrückende Feuerwehr hatte keine Chance mehr, das Gebäude zu löschen. (Zwischen-Akt Nr. 149/1863) „Es wäre unnütz gewesen, den Versuch einer Rettung zu machen. Man musste das Haus seinem Schicksal überlassen“, meinte die Wiener Zeitung am nächsten Tag. (Wiener Zeitung Nr. 129, 1863.) Der Grund für die rasante Ausbreitung der Flammen war einerseits die noch nicht optimale Organisation der Brandbekämpfung – das Feuerwehrwesen wurde erst nach dem katastrophalen Brand des Ringtheaters acht Jahre später komplett neu organisiert (https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Feuerwehr) - vor allem aber die provisorische Bauweise des Theaters.

Das Treumann-Theater oder wie es offiziell hieß K.K. privilegiertes Theater am Franz-Josefs-Quai war erst im November 1860 errichtet worden. Es war allerdings kein aus Stein oder Ziegeln errichtetes Bauwerk sondern bestand gänzlich aus Holz. Der Schauspieler, Regisseur und Theatermann Karl Treumann hatte Ende des Jahres 1859 bei Hofe um die Genehmigung zur Errichtung eines Theaters angesucht. Als Bauplatz wurde ihm die eben erst demolierte Gonzagabastei zugewiesen. Da ein derart gewaltiger Bau aber natürlich Zeit in Anspruch nahm, ersuchte er wenige Monate später, im Frühling 1860, um die vorläufige Bewilligung zur Errichtung eines provisorischen Hauses an, die er auch erhielt obwohl man um die Feuergefahr eines solchen Holzbaus wusste. (Czeike, S. 476)

Der Abgang Karl Treumanns vom Carl-Theater an dem er zuvor gewirkt hatte und die Eröffnung eines eigenen Hauses scheint nicht friktionsfrei gelaufen zu sein. Die Wiener Zeitung berichtet am Tag der Eröffnung des „Neuen Carltheaters“ ausführlich über die tiefen Risse in der Theatergesellschaft. Diesem Bericht verdanken wir aber auch eine ausführliche Beschreibung des Treumanntheaters, das dabei allerding nicht sonderlich gut wegkommt:

„Durch zahlreiche, aber wie es schein sämmtlich sehr beengte Eingänge kann man in das Innere gelangen, welches nach solcher Vorbereitung einen um so freundlicheren Eindruck macht – einen harmonischen können wir freilich nicht sagen, dafür ist man bei der Dekorierung zu verschwenderisch mit Farben und Ornamenten umgegangen; vorzüglich erscheint die erste Galerie überladen und schwerfällig. Der Vorhang ist außerordentlich prachtvoll, aber auch außerordentlich unverständlich die Allegorie. […] Für die Verhältnisse des Zuschauerraums scheint das Thalia-Theater als Muster gedient zu haben, Logen und Sitze sind bequem – selbstverständlich soweit Krinolinen ihren Trägerinnen und deren Nachbarn Bequemlichkeit gestatten. Die Akustik stellte sich bei einer neulich vorgenommenen Probe als nicht sehr günstig dar. […] Als das gelungenste muss ohne Zweifel der Kronleuchter bezeichnet werden, dessen überraschende Leichtigkeit und Anmuth der Formen der Fabrik des Herrn Demuth in der That zur besten Empfehlung gereichen.“

Auch die zu erwartenden „Genüsse“ werden nicht eben überschwänglich beschrieben, so heißt es in der Wiener Zeitung weiter: „siehe Carl-Theater von 1854-1860“. (Wiener Zeitung Nr. 258, 1860)

Eröffnet wurde das Haus dann mit einem Benefizabend zugunsten des „Allgemeinen Versorgungsfonds“. Auf dem Programm stand die Premiere von „Die Tante schläft“, einem einaktigen musikalischen Lustspiel mit Musik von Henri Caspers und einem Libretto von Hector Crémieux. Direktor Treumann stand dabei selbst auf der Bühne. Das zweite Stück des Abends war „Ich werde mir den Major einladen“, ein ebenfalls einaktiges Lustspiel und „Tschin-Tschin“ eine „Musikalische Chineserei in 1 Akt“ das Multitalent Treumann selbst aus dem französischen Originaltext übersetzt hatte. Die Musik stammte von Jaques Offenbach und Treumann stand wiederum selbst auf der Bühne. (Zwischen-Akt Nr. 293, 1860).

Der Bau eines ständigen Theaters war keine einfache Sache. Karl Treumann hatte ursprünglich die Bewilligung für das Provisorische Theater auf unbestimmte Zeit verlängern lassen wollen, was ihm aber nicht genehmigt wurde. Daher wurde ab dem Frühling 1863 mit dem Bau eines endgültigen Theaters begonnen. (Czeike, S. 476) Doch zur Fertigstellung dieses Hauses sollte es nicht mehr kommen.

Das Theater dürfte in den folgenden Jahren beim Publikum durchaus beliebt gewesen sein. Die Brandkatastrophe aber war eine Sensation ersten Ranges. Die Schaulustigen strömten nur so herbei. Das damals täglich erscheinende Theatermagazin „Der Zwischen-Akt“, dessen Berichterstatter selbst bis in die frühen Morgenstunden an der Unglücksstelle vor Ort waren, berichtet darüber, dass auch höchste Prominenz sich das Spektakel nicht entgehen ließ – wenngleich natürlich nur um „zur Hilfe aufzumuntern“:

„Mehrere Herrn Erzherzoge, fast alle Minister, der Statthalter, der Polizeidirektor der Gerneral vom Tag waren auf der Brandstätte erschienen, und munterten persönlich zur Hilfe auf.“

Die Wiener Zeitung führt es darauf zurück, dass das Treumanntheater so populär gewesen sei, dass „Tausende und Tausende“ zur Brandstätte geeilt seien. Ebenso wie der Zwischenakt wird aber gleichzeitig der wohl schauerlich-eindrucksvolle Anblick geschildert, den das brennende Theater gemacht haben muss: „Von der Erde bis zur höchsten Spitze war Alles ein mächtiger Brand. Die Flamme schlug hoch in die Luft und leuchtete weithin – ein furchtbar imposantes Schauspiel.“ (Wiener Zeitung, Nr. 129, 1863)

Die Brandkatastrophe bedeutete das Ende des Treumanntheaters. Karl Treumann kehrte an das Carltheater zurück, das er 1860 nach dem Rücktritt Nestroys schon einmal geleitet hatte. An der Stelle des vernichteten Theaters wurde im Zuge der Wiener Weltausstellung das Hotel Métropole errichtet, (Czeike, S. 476) das während der Naziherrschaft zu trauriger Berühmtheit gelangen sollte.

Doch das ist eine andere Geschichte – und soll ein andermal erzählt werden!

 

Bildnachweis:

Heinrich Gerhart (Verleger), "Der Brand des Treumanntheaters am Franz Josefs Quai. / Wien 9. Juni 1863.", 1863, Wien Museum Inv.-Nr. 108948, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/41649/)

 

 

Quellen und Infos:

 

Ignaz Franz Castelli, Wörterbuch der Mundart in Österreich unter der Enns, Wien 1847.

Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Band 5, Wien 1997.

Wiener Zeitung Nr. 258, 1. November 1860.

Wiener Zeitung, Nr. 129, 10. Juni 1863.

Der Zwischen-Akt, Nr. 293, 1. November 1860.

Der Zwischen-Akt, Nr. 148, 9. Juni 1863

Der Zwischen-Akt, Nr. 149, 10. Juni 1863.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Ringtheaterbrand

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Feuerwehr

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Treumanntheater

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Karl_Treumann